Das blaue Zimmer
Sie sagte verzagt: „Ich wollte, ich könnte bis ans Ende meines Lebens hier sitzen bleiben.“
Er lächelte und sagte: „Das würde keinem Menschen etwas nützen. Und es würde den Admiral nicht zurückbringen. Und weißt du, du irrst dich. Er wollte wirklich, daß die Hochzeit stattfindet. Er hat es gesagt. Ungefähr zwei Wochen bevor er starb, war er bei meinem Vater. Ich glaube, er hat sich nicht ganz wohl gefühlt, oder er hatte vielleicht so was wie eine Vor ahnung, jedenfalls, sie sprachen über die Hochzeit, und da sagte der Admiral zu meinem Vater, wenn ihm irgendwas pas sieren sollte, dann wollte er unter keinen Umständen, daß sich an Janes Hochzeit etwas ändert.“
Laurie wischte sich wieder die Augen. Nach einer Weile fragte sie: „Ist das wirklich wahr?“
„Ich gebe dir mein Wort, es ist wahr. Ist das nicht typisch für den alten Knaben? Er wollte immer alles tadellos geregelt und in Ordnung wissen. Und ich sag dir noch etwas, obwohl ich nicht vorgreifen sollte. Es ist im Vertrauen, du mußt es für dich behalten.“ Laurie runzelte die Stirn. „Er hat dir dieses Haus vermacht. Er wollte, daß du es bekommst. Sein Lieblings enkelkind und seine beste Freundin. Nein, nicht wieder wei nen, sonst wird dein Gesicht ganz rot und fleckig, und du wirst eine häßliche Brautjungfer, keine schöne. Heute ist ein sehr glücklicher Tag. Blicke nicht zurück. Denk an Jane und An drew. Kopf hoch. Der Admiral wird sehr stolz auf dich sein.“
Sie sagte: „Ich fürchte, ich benehme mich wie eine Idiotin.“
„Bestimmt nicht“, versicherte William.
Und nun war es Zeit. Im Vorraum der alten Kirche stellten sich die Braut, ihr Vater und die Brautjungfer auf. Droben ver stummte das Geläut der Hochzeitsglocken. Aus dem gedrängt vollen Mittelschiff waren das leise Flüstern und Rascheln einer ungeduldigen, festlichen Gemeinde zu hören. Laurie gab Jane einen Kuß und bückte sich, um den Rock ihres Kleides zurecht zurücken. Janes Brautstrauß duftete schwer nach Tuberosen.
Der Pfarrer wartete in seinem gestärkten weißen Chorrock, um die kleine Prozession anzuführen. Der Küster gab Miss Treadwell, der Dorflehrerin, die die Orgel spielte, ein Zeichen. Die Musik ertönte. Laurie atmete tief durch. Sie setzten sich in Bewegung, durch die Tür, die zwei breiten, flachen Stufen hin unter.
Das Innere der Kirche war halb dunkel, mit Blumen über füllt und von ihrem Duft durchtränkt. Die Sonne schien durch die Buntglasfenster, als die Versammelten in ihrem Feststaat sich erhoben. Laurie dachte nicht an Großvaters Beerdigung, sondern konzentrierte sich auf den rosa Hut ihrer Mutter, die breiten Schultern ihres Bruders, die adrett gebürsteten Köpfe seiner Kinder. Eines Tages, dachte sie, wenn sie größer sind, erzähle ich ihnen von den Phöniziern. Ich erzähle ihnen all die wunderbaren Dinge, die Großvater mir erzählt hat.
Das war ein schöner Gedanke, um sich daran festzuhalten. Es war ein Blick nach vorne. Plötzlich wurde Laurie klar, daß das Schlimmste vorüber war. Sie fühlte sich nicht mehr nervös und elend. Sie fühlte sich einfach wunderbar ruhig, als sie hin ter ihrer Schwester durch das geflieste Kirchenschiff schritt, im Takt zur Musik.
Die Musik. Die Musik, die Miss Treadwell spielte. Sie war schallend, triumphierend, genau richtig für eine Hochzeit. Sie war vermutlich nie zuvor bei einem solchen Anlaß gespielt worden, aber sie trug sie auf einer Woge von herrlichen, fröh lichen Klängen zum Altar.
Spanish Ladies
Ein Klumpen bildete sich in Lauries Kehle. Das habe ich nicht gewußt. Ich habe nicht gewußt, daß sie Großvaters Musik als Hochzeitsmarsch nehmen würden.
Aber wie hätte sie es auch wissen können? Sie hatte sich ge weigert, zur Probe für die Trauung zu kommen, und vermut lich hatte keiner von der Familie den Mut gehabt oder sich ein Herz fassen können, es ihr zu sagen.
Goodbye and farewell to you, fair Spanish ladies…
Großvater. Er war hier. Er war in der Kirche, freute sich an der Tradition, der Feier, redete ihnen allen zu. Er gehörte nach wie vor zur Familie.
Goodbye and farewell to you, ladies of Spain
Andrew und William warteten am Ende des Mittelschiffs. Beide Männer beobachteten die kleine Prozession, die sich näherte. Andrews Augen waren auf Jane gerichtet, und Stolz und Staunen sprachen aus seinem ganzen Gesicht. William aber…
Er beobachtete Laurie, mit fester Miene, mitfühlend, zuversichtlich. Sie merkte, daß
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