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Das blaue Zimmer

Das blaue Zimmer

Titel: Das blaue Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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klopfte ihr auf die Schulter. „Ihr wird nichts passieren. Denk nicht daran. Die Ärzte werden alles für sie tun.“ Es schien ihr an der Zeit, über etwas anderes zu sprechen. „Hör zu, es ist Heiligabend. Im Fernsehen bringen sie Weih nachtslieder. Möchtest du sie hören?“
    „Nein, wenn es Ihnen nichts ausmacht. Ich will nicht an Weihnachten denken, und ich will nicht fernsehen.“
    „Was möchtest du denn gerne tun?“
    „Einfach bloß reden.“
    Miss Cameron war verzagt. „Reden. Worüber sollen wir reden?“
    „Vielleicht über Sie?“
    „Über mich?“ Sie mußte unwillkürlich lachen. „Meine Güte, so ein langweiliges Thema. Eine alter Jungfer, praktisch in der zweiten Kindheit!“
    „Wie alt sind Sie?“ fragte Bryony so unbefangen, daß Miss Cameron es ihr sagte. „Aber achtundfünfzig ist nicht alt! Bloß ein Jahr älter als mein Vater, und er ist jung. Zumindest denke ich das immer.“
    „Ich fürchte, ich bin trotzdem nicht sehr interessant.“
    „Ich finde, jeder Mensch ist interessant. Und wissen Sie, was meine Mutter gesagt hat, als sie Sie das erste Mal sah? Sie sagte, Sie haben ein schönes Gesicht, und sie würde Sie gerne zeich nen. Na, ist das ein Kompliment?“
    Miss Cameron errötete vor Freude. „0 ja, das ist sehr er freulich…“
    „Und jetzt erzählen Sie mir von sich. Warum haben Sie die ses Haus gekauft? Warum sind Sie hierher gezogen?“
    Und Miss Cameron, sonst so zurückhaltend und still, begann verlegen zu reden. Sie erzählte Bryony von jenen ersten Ferien in Kilmoran, vor dem Krieg, als die Welt jung und un schuldig war und man für einen Penny ein Hörnchen Eis kau fen konnte. Sie erzählte Bryony von ihren Eltern, ihrer Kind heit, dem alten, großen Haus in Edinburgh. Sie erzählte ihr vom Studium und wie sie ihre Freundin Dorothy kennenge lernt hatte, und auf einmal war diese ungewohnte Flut von Erinnerungen keine Qual mehr, sondern eine Erleichterung. Es war angenehm, an die altmodische Schule zurückzuden ken, wo sie so viele Jahre unterrichtet hatte, und sie war im stande, kühl und sachlich über die trübe Zeit zu sprechen, be vor ihr Vater schließlich starb.
    Bryony hörte so aufmerksam zu, als würde Miss Cameron ihr von einem erstaunlichen persönlichen Abenteuer berich ten. Und als sie zu dem Testament des alten Mr. Cameron kam und erzählte, daß er sie so wohlversorgt zurückgelassen hatte, da konnte Bryony nicht an sich halten.
    „Oh, das ist phantastisch. Genau wie im Märchen. Zu schade, daß kein schöner weißhaariger Prinz aufkreuzt und um Ihre Hand anhält.“
    Miss Cameron lachte. „Für so etwas bin ich ein bißchen zu alt.“
    „Schade, daß Sie nicht geheiratet haben. Sie wären eine phantastische Mutter gewesen. Oder wenn Sie wenigstens Geschwister gehabt hätten, dann hätten Sie denen so eine phantastische Tante sein können!“ Sie sah sich zufrieden in dem klei nen Wohnzimmer um. „Das ist genau richtig für Sie, nicht? Dieses Haus muß auf Sie gewartet haben, es hat gewußt, daß Sie hierherziehen würden.“
    „Das ist eine fatalistische Einstellung.“
    „Ja, aber eine positive. Ich bin in allem schrecklich fatali stisch.“
    „Das darfst du nicht. Hilf dir selbst, so hilft dir Gott.“
    „Ja“, sagte Bryony, „ja, das mag wohl sein.“
    Sie verstummten. Ein Holzscheit brach und sackte in sich zusammen, und als Miss Cameron sich vorbeugte, um ein neues nachzulegen, schlug die Uhr auf dem Kaminsims halb acht. Sie waren beide erstaunt, daß es schon so spät war, und auf einmal fiel Bryony ihre Mutter ein.
    „Ich möchte wissen, was los ist.“
    „Dein Vater wird anrufen, sobald er uns etwas zu sagen hat. In der Zwischenzeit sollten wir das Teegeschirr abwaschen und überlegen, was es zum Abendessen gibt. Was hättest du gerne?“
    „Am allerliebsten Tomatensuppe aus der Dose und Eier mit Speck.“
    „Das wäre mir auch am allerliebsten. Gehen wir in die Küche.“
     
     
    Der Anruf kam nicht vor halb zehn. Mrs. Ashley lag in den We hen. Es ließ sich nicht sagen, wie lange es dauern würde, aber Mr. Ashley wollte im Krankenhaus bleiben.
    „Ich behalte Bryony über Nacht hier“, sagte Miss Cameron bestimmt. „Sie kann in meinem Gästezimmer schlafen. Und ich habe ein Telefon am Bett, Sie können ohne weiteres jederzeit anrufen, sobald Sie etwas wissen.“
    „Mach ich.“
    „Möchten Sie Bryony sprechen?“
    „Bloß gute Nacht sagen.“
    Miss Cameron verzog sich in die Küche, während Vater und Tochter

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