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Das blaue Zimmer

Das blaue Zimmer

Titel: Das blaue Zimmer Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Rosamunde Pilcher
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bereden. Ich habe ihr gesagt, daß ich Edwin heute abend anrufe.“
    „Wir können ihm nicht sagen, daß er nicht kommen soll.“
    „Ich dachte mir, daß du das sagen würdest.“ Sie sahen sich an, wußten, daß die Entscheidung längst gefallen war. Kein Wochenende auf dem Land. Kein Erdbeerpflücken. Kein Gar ten für Robbie. Nur Edwin.
    Sie sagte: „Ich wünschte, es wäre nicht so schwer, gute Werke zu tun. Ich wünschte, sie würden sich einfach ergeben, ohne daß man etwas dazu tun muß.“
    „Dann wären es keine guten Werke. Aber weißt du was? Ich liebe dich. Immer mehr, sofern das möglich ist.“ Er küßte sie. „So… “ Er machte die Tür wieder auf. „Jetzt geh ich runter und sag’s Delphine.“
    „Es gibt kaltes Hühnchen zum Abendessen.“
    „In diesem Fall seh ich mal nach, ob ich genug Kleingeld für eine Flasche Wein zusammenkriege. Wir können beide eine Aufmunterung gebrauchen.“
     
     
    Als die schreckliche Enttäuschung erst überwunden war, be schloß Jill, der Philosophie ihrer Mutter zu folgen – wenn sich eine Sache lohnt, dann lohnt es sich auch, sie gut zu machen. Wenn schon, denn schon; war es auch nur der trübsinnige alte Edwin Makepeace, frisch von einer Beerdigung, so war er trotzdem ein Gast. Sie kochte ein Schmorgericht aus Hühner fleisch mit Kräutern, schrubbte neue Kartoffeln, komponierte eine Soße für die Brokkoli. Zum Nachtisch gab es Obstsalat aus frischen Früchten und danach eine Ecke cremigen Briekäse.
    Sie polierte den Ausziehtisch im Eßzimmer, deckte ihn mit den besten Sets, arrangierte Blumen (die sie gestern abend an der Marktbude erstanden hatte), schüttelte die Patchwork kissen im Wohnzimmer im ersten Stock auf.
    Jan war Edwin abholen gegangen. Edwin hatte mit zittern der Stimme am Telefon gesagt, er werde ein Taxi nehmen, aber Jan wußte, daß ihn das zehn Pfund oder mehr kosten würde, und hatte darauf bestanden, selbst zu fahren. Jill badete Rob bie und zog ihm seinen neuen Schlafanzug über, anschließend zog sie das frisch gebügelte Strandkleid an, das für Wiltshire gedacht gewesen war. (Sie schlug sich die Vorstellung aus dem Kopf, wie Delphine in ihrem Auto losfuhr, nur von ihrer Staf felei und ihrem Wochenendgepäck begleitet. Die Sonne würde weiter scheinen, die Hitzewelle würde anhalten. Sie würden wieder eingeladen werden, an einem anderen Wochenende.)
    Alles war bereit. Jill und Robbie knieten auf dem Sofa, das in der Fensternische des Wohnzimmers stand, und hielten nach Edwin Ausschau. Als der Wagen vor dem Haus hielt, hob sie Robbie auf die Arme und ging hinunter, um aufzumachen. Ed win kam, gefolgt von Ian, soeben die Stufen von der Straße her auf. Jill hatte ihn seit Weihnachten nicht gesehen und fand ihn beträchtlich gealtert. Sie konnte sich nicht erinnern, daß er am Stock gehen mußte. Er trug eine schwarze Krawatte und einen düsteren Anzug. Er hatte kein kleines Mitbringsel bei sich, keine Blumen, keine Flasche Wein. Er sah aus wie ein Bestat tungsunternehmer.
    „Edwin.“
    „Schön, meine Liebe, da wären wir. Nett von euch, mich einzuladen.“
    Er trat ins Haus, und sie gab ihm einen Kuß. Seine alte Haut fühlte sich rauh und trocken an, und er roch leicht nach Desinfektionsmittel wie ein altmodischer Arzt. Er war ein sehr dünner Mensch, seine einst kühlen blauen Augen waren jetzt bläßlich und feucht. Seine Wangen waren hochrot, doch an sonsten wirkte er blutleer, farblos. Sein steifer Kragen war viel zu weit, und sein Hals war sehnig wie bei einem Truthahn.
    „Tut mir leid wegen deines Freundes.“ Sie spürte, daß es wichtig war, dies gleich auszusprechen.
    „Ach weißt du, wir sind alle mal dran. Siebzig Jahre, das ist die uns zugeteilte Zeitspanne, und Edgar war dreiundsiebzig. Ich bin einundsiebzig. Sag, wo soll ich meinen Stock hintun?“
    Es gab keinen Platz dafür, deshalb nahm sie ihm den Stock ab und hängte ihn über das Treppengeländer.
    Edwin sah sich um. Er war vermutlich noch nie in einem Haus ohne trennende Wände gewesen.
    „Sieh einer an. Und das“ – er beugte sich vor, sein Zinken von einer Nase zeigte direkt auf Robbies Gesicht – „ist also euer Sohn.“
    Jill war gespannt, ob Robbie sie blamieren und vor Angst losheulen würde. Aber nein, er erwiderte schlicht Edwins Blick, ohne mit der Wimper zu zucken.
    „Ich… ich habe ihn aufbleiben lassen. Ich dachte, ihr woll tet euch sicher gerne kennenlernen. Aber er ist ziemlich müde.“ Jetzt kam Ian zur Tür herein und machte sie

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