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Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen

Titel: Das Blut des Adlers 2 - Licht über weissen Felsen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Liselotte Welskopf-Henrich
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Holzgebäude untergebracht und enthielt außer den wenigen Dienstzimmern einen größeren Raum. Eine Barriere teilte ihn, jenseits stand der lange Tisch für Richter und Geschworene und die Bank für den Angeklagten, diesseits befanden sich die einfachen Stühle der Zuhörer und der Zeugen. Die Decke war niedrig; es gab nur ein Fenster. Wakiya gehörte zu den ersten, die eintrafen, und nahm in der ersten Stuhlreihe Platz.
    Mit Mary Booth zugleich kamen ihr alt gewordener Vater Isaac Booth, ein Bruder Marys und eine Schwester, die Besitzungen außerhalb der Reservation hatten; außerdem erschienen Vater Halkett, Kate Carson sowie drei Mac Leans, der Vater und zwei Söhne. Sie hatten alle in der ersten und zweiten Reihe Platz genommen. Für sich allein saß Charles O'Connor, der uneheliche Sohn des verschwundenen Black and White. Wer in die Familienverhältnisse eingeweiht war, wunderte sich, daß seine Schwester Esmeralda, verehelichte Horwood, nicht mitgekommen war, auch die Klage nicht mit unterzeichnet hatte.
    Eliza Bighorn erschien und setzte sich auf einen freien Stuhl neben Wakiya. Mac Lean senior äußerte ihr gegenüber sein Mißfallen.
    »Missis Bighorn! Hier in der ersten Reihe sind die Zeugenplätze.«
    Eliza hatte zwar inzwischen in der Angelhakenfabrik zwanzig weitere Worte Englisch gelernt, aber nicht jene, die Mr. Mac Lean senior soeben zu ihr gesagt hatte. Sie hob den Kopf daher nicht und antwortete nicht. Mac Lean senior, der selbst nicht als Zeuge geladen war, sagte nichts weiter. Wakiya atmete auf.
    Allmählich wunden alle Plätze besetzt. Wenn es sich um Joe King handelte, kamen stets Neugierige. Wakiya erkannte unter ihnen den Haarschneider, der für die Angehörigen der Reservation die Rolle eines Amateurreporters spielte.
    »Mit den Kings gibt es niemals Ruhe.« Wakiya hatte die Worte gehört, aber er wußte nicht, wer sie gesagt hatte.
    Der alte Gerichtspräsident und Ed Crazy Eagle erschienen in ihren Roben, die sie für Wakiya seltsam fern und fremd machten. Auch die Geschworenen kamen, unter ihnen Mr. Whirlwind. Joe King hatte seinen Platz als Angeklagter diesseits der Barriere, im Raum des Gerichts, auf der lehnenlosen kurzen Bank.
    Der alte Präsident eröffnete. Ed Crazy Eagle, der die Verhandlung führte, begann in einer ruhigen und höflichen Weise mit der Vernehmung, und Joe berichtete genau und ohne Zeichen der Erregung. Das Jagdgewehr, mit dem er damals geschossen hatte, lag auf dem Gerichtstisch.
    Der Ankläger begann zu fragen.
    »Angeklagter Joe King. Sie sind mehrfach vorbestraft?«
    Der Ankläger war ein noch sehr junger Mann, und Wakiya fühlte aus der Sprechweise und Haltung heraus, daß dieser Mann sich vorbereitet hatte wie ein ehrgeiziger Lehrer für einen unbequemen Schüler. Der Mann hatte auch ein Papier in der Hand, auf dem einiges aufgeschrieben war wie auf einem Vorsagezettel.
    »Angeklagter, Sie sind mehrfach vorbestraft?«
    »Ja.« Die eine Silbe wurde kurz und verhalten gesagt.
    »Ist es wahr, daß der Schecke einmal den Zaun des Korrals mit Ihrer Frau als Reiterin übersprungen hat?«
    »Halb überklettert, halb übersprungen wie ein wilder Mustang. Er ist nicht als Springpferd abgerichtet.«
    »Es ist also möglich, daß er diesen großartigen Sprung ohne Reiter auch ein zweites Mal ausführte?«
    »Das Pferd ist einmal über den Zaun gekommen, als Harold Booth in betrunkenem Zustand meine Frau bedrängt hatte und der Hengst Harold Booth verfolgen wollte.«
    »Zeuge?«
    »Meine Frau.«
    »Es ist also jedenfalls - zunächst gleich, unter welchen Umständen - für dieses Pferd möglich gewesen, den damaligen Zaun zu überspringen. Die Tiere waren in der fraglichen Nacht ohne Aufsicht?«
    »Einige Stunden, ja.«
    »Es ist also prinzipiell möglich, das sich der Schecke selbst befreite.«
    »Prinzipiell ja. Aber...«
    »Beantworten Sie meine Fragen. Alles Weitere können Sie später vorbringen. Harold Booth hat vor seinem Tode sowohl seinen Verwandten als auch anderen Personen, zum Beispiel dem Stellvertreter des Superintendent und der Rektorin der Tagesschule, angedeutet, daß der Schecke sich vermutlich selbst befreit und den angepflockten dunkelbraunen Hengst überfallen habe, so daß dieser den Pflock aus der Erde riß und flüchtete, und daß der Schecke dann offenbar auch die Stuten nachgezogen habe. Wann erhielten Sie Mitteilung?«
    »Als alle Pferde schon frei herumliefen.«
    »Sie haben also von den Vorgängen selbst nichts wahrgenommen?« »Erst

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