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Das Blutbuchenfest

Das Blutbuchenfest

Titel: Das Blutbuchenfest Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Martin Mosebach
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Annäherung an den Hof der Mestrovics hatte ich zunächst am Gehöft der muslimischen Familie gehalten. Eine Gruppe von Frauen stand dort am Zaun, keine trug ein Kopftuch. Die Kittelschürzen und Trainingshosen glichen den Kleidern, wie sie im Haus Mestrovic unter der Woche getragen wurden. Der Gesichtsschnitt und die weiße Haut, die für mich bei Ivana ein Solitär gewesen, aber offenbar bei dem muslimischen Menschenschlag verbreitet war, die fand ich auch bei diesen Frauen. Was war anders an diesen Musliminnen, wenn man von ihrer Religion absah? In ihren Gärten wuchs dasselbe Gemüse, Hühner umgackerten das Haus, an Festtagen wurden Lämmer geschlachtet, der Ziegenkäse war bei den Mestrovics und bei diesen Muslimen gleicherweise beliebt. Wenn der Mensch nach der Paracelsus-Lehre ist, was er ißt, dann müßte zwischen den Familien ein Höchstmaß an Gleichheit in der menschlichen Substanz zu finden gewesen sein. Wer dasselbe ißt, strömt der nicht denselben Geruch aus? Der Geruch im Mestrovic-Haus, nach leicht sauer gewordener Milch, Holz, gewaschenen, aber unparfümierten Körpern, alten Kleidern, ja, sogar ein wenig unaustreibbaren Kuhstall wollte ich erschnuppern, obwohl es doch nur noch drei Kühe gab, die auf der Wiese standen – er konnte doch nicht grundsätzlich anders ausfallen als in dem Gehöft der Muslime? Und im Geruch manifestiert sich die spezielle Art zu sein am nachdrücklichsten. Auf dem Gebiet des Geruchs fallen die inappellablen Entscheidungen für Sympathie und Antipathie.
    Ein langes Sündenregister der muslimischen Nachbarn wurde mir aufgezählt – in den schlimmen Jahren mit Mord und Totschlag verbunden, in dem erzwungenen sozialistischen Frieden oder besser Nicht-Krieg mit ziviler Gemeinheit und Erpressung, aber dies Sündenregister, ich fühlte es deutlich, das traf nicht den Kern, und ich fürchtete sogar, daß die muslimischen Nachbarn, wenn ich sie befragt hätte, auch ihrerseits lange Klagen vorgebracht hätten.
    Die alles befriedigende Erklärung erhielt ich erst, als nach langen Darlegungen das Schlüsselwort fiel: »Sie sind anders als wir – wir leben hier seit Urgroßvaters Zeiten und länger nebeneinander, man hat einander manchmal sogar geholfen. Als es bei uns in der Scheune brannte, sind sie von dort unten zum Löschen gekommen, und als sie dort unten alle krank wurden, haben wir Suppe gebracht – aber das darf nicht täuschen: Im letzten werden sie immer anders sein, weil sie … eben anders sind. Sie kennen uns genau und wir kennen sie genau – da gibt es nichts wegzureden.«
    Man spürt hier vielleicht, daß es Ivana war, die zu dieser apodiktischen Eindeutigkeit gelangte. Der Vater lächelte milde dazu, die Mutter zeigte die Gleichgültigkeit, mit der die unumstößlichen Wahrheiten hingenommen werden müssen. Anna, die Lügnerin, strahlte bei den Worten ihrer Schwester, als wollte sie sagen: »So denkt ihr und ich weiß, daß ihr so denkt, aber was ich denke, das weiß ich auch und werde es niemals rauslassen.«
    Unberührt nennen wir eine Idylle, wenn die zahlreichen Berührungen, die sie erfahren hat, lange zurückliegen, wenn das, was sie geschaffen haben, eingerostet und verstaubt ist und den Charakter von natürlich Gewachsenem angenommen hat. Ganz unberührt war das Mestrovic-Gehöft, obwohl die große Arbeitsmaschine vieler Hände sich darin nicht mehr drehte und stampfte, selbstverständlich nicht in unsere Jahre gelangt. Das große graue Ohr der Parabolantenne war auf dem Dach bereit, die Signale der Satelliten aus kosmischer Nacht aufzunehmen. Seitdem der Himmel befahren wurde und jedes Telephongespräch Tausende Kilometer in die Stratosphäre und dann wieder zurück auf den Erdboden zurücklegte, lag jede Stadt und jeder Weiler, wie tief im Landesinnern auch geborgen, an einem Weltmeer. Hob das nicht jene alten Grenzen der Länder auf, die Völker voneinander trennten oder sie gar zerteilten, wie es in Jugoslawien eigentlich jede Grenze tat? Gab es mit Blick auf dies gemeinsame unermeßliche, grenzenlose Himmelsmeer überhaupt noch die Möglichkeit, Grenzen auf Erden zu behaupten?
    Nun, man weiß, es gab diese Möglichkeit. Die beiden Tendenzen des Zeitalters, einerseits alle Grenzen zu überwinden und andererseits neue und tief einschneidende Grenzen aufzurichten, standen hart gegeneinander. Welche davon siegreich sein würde, war ungeachtet der jedermann sich bietenden Ausblicke ins Grenzenlose keineswegs geklärt.
    Stärker noch als die

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