Das Böse, das im Herzen schläft: Thriller (German Edition)
Zusammenzucken verwandelte sich in einen Schauder, der seinen ganzen Körper erfasste. Eine clevere Erwiderung wäre jetzt falsch. W ie konnte ein zehn Sekunden langer Satz mit einem siebzehn Jahre alten Groll konkurrieren? W ie sollte V ernunft über Besessenheit siegen? » Sie wissen schon, wer du bist.«
» Oh, verdammt , das hätte ich mir denken können. Nicht mal diesen Augenblick wolltest du mir gönnen, was? Gibt es irgendetwas , das du mir nicht wegnehmen würdest?«
Die verwirrten Blicke, die seine Kinder wechselten, spürte Rowan eher, als dass er sie sah. » Bitte bleib ruhig, Matt… Darf ich dich so nennen? W enn es dir lieber ist, dass ich dich als…«
» Wag es nicht! W ag es ja nicht! Es kommt dir nicht zu, diesen Namen auszusprechen.« Speichel sprühte von Matts Lippen, und jedes im Licht funkelnde Tröpfchen schien ein W ort zu enthalten. » Du hast diesen Jungen umgebracht , du und deine Familie. Ich hatte eine Chance , meine Mutter glücklich zu machen, und die hast du mir gestohlen. Damit deine selbstgefällige kleine W elt intakt bleiben konnte. Damit Leute wie ich davon ferngehalten wurden. Ich weiß, was du denkst. Ich weiß, wie ihr seid, du und dein bösartiges W eib. V on ihr lass mich gar nicht erst anfangen.«
Die brennenden Seiten in Rowans Erinnerung sprangen aus dem Feuer, streiften die lodernden Flammen von ihren Rändern und glätteten sich. Der Gedanke, Matt könnte die W ahrheit über Lydia kennen, war fast so beängstigend wie die W affe in seiner Hand.
» Wenn du glaubst, wir hätten dir das Stipendium gestohlen, verstehe ich, dass du wütend bist«, sagte er in der Hoffnung, das Gespräch auf den ersten Aspekt von Matts W ahnideen zu beschränken, ohne auf Lydias spätere V erwicklung einzugehen. » Aber ich schwöre dir, so war es nicht.«
» Scheiße!« Eine dick geschwollene Ader zog sich an Matts Hals herauf. » Du hast das Schulgeld für sie nicht bezahlt.«
» Nein«, sagte Felix. » Ich habe meinen Freiplatz bekommen, weil mein Dad dort gearbeitet hat. Das haben wir alle.«
» Blödsinn«, sagte Matt, aber es klang weniger überzeugt. » Ihr alle habt jahrelang Zeit gehabt, euch eine Tarngeschichte auszudenken.«
» Das ist keine Geschichte«, sagte Rowan. Er erinnerte sich an einen Dokumentarfilm über Unterhändler bei Geiselnahmen und über die Leute, die Selbstmörder überredeten, von der Dachkante zurückzutreten. Der Trick, entsann er sich, hatte darin bestanden, die Aufmerksamkeit der Leute auf kommende Ereignisse zu richten und sie aus ihrer unmittelbaren Situation herauszulösen. » Ich lade dich ein, in die Schule zu kommen und dich selbst zu überzeugen. Die Unterlagen sind alle dort.«
Die Unterlagen: Fast konnte Rowan den Staub im Archivraum riechen und den braunen Umschlag vor sich sehen, der Kellaways Antrag auf ein Stipendium und seine Geschichte enthielt. Der Schweiß, der sein Hemd an Rücken und Brust kleben ließ, fand einen neuen Ausfluss: Er rollte über seine Stirn herunter und trübte seinen Blick. Aber er bekam keine Gelegenheit, seine verbesserten Unterhändlertalente zu entwickeln oder ihre W irksamkeit auf die Probe zu stellen, denn Sophie unterbrach ihn mit schriller Stimme.
» Bitte, bitte, bitte, bitte , wo ist Edie? Ist sie noch…« Rowan sah, wie viel Anstrengung es sie kostete, die W orte auszusprechen. » Ist sie noch am Leben ?«
Ihr Kontrollverlust schien Matts Ruhe wiederherzustellen. Lässig warf er den Brenner aus einer Hand in die andere, hin und her.
Verdammt, dachte Rowan. Felix und ich hätten ihn überwältigen können, wenn wir schnell genug gewesen wären. W enn wir nur außerhalb seines Gesichtsfelds einen Blickkontakt herstellen könnten.
» Wenn Kerry sie hat… W er weiß? Sie ist ein bisschen komisch mit Babys. Sie weiß nicht genau, wann Schluss sein muss.« Es klang, als frage er sich, wo er seinen Schlüsselbund gelassen habe. Sein Daumen kehrte an den Auslöser zurück.
» Edie!«, schrie Sophie. Ihre Stimme hallte von den kahlen Mauern wider.
Draußen erhob sich für einen Sekundenbruchteil eine dünne, schrille Stimme.
Mit einem blitzschnellen Reflex drückte Matt auf den Auslöser, und das wilde, desorientierende Zischen ging wieder los.
Es war unmöglich zu sagen, woher die körperlose Stimme kam und ob es wirklich das Baby gewesen war. Sicher wusste Rowan nur eines: Die Stimme war von draußen gekommen, und um sie zu erreichen, würden sie eine undurchdringliche Feuerwand überwinden
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