Das Böse, das im Herzen schläft: Thriller (German Edition)
nur mal dabei erwischen könnte, dass sie Felix so ansieht, dachte Sophie, dann würde dieses seltsame Unbehagen, das ich bei ihr empfinde, sich vielleicht auflösen.
Sie machte sich bemerkbar, indem sie sich leicht nach rechts lehnte. Sie wusste, dass eine lose Diele unter ihren Füßen dann leise knarren würde. Kerry erschrak nicht, sondern drehte sich langsam zu ihr um, legte einen Finger an die Lippen, um zu zeigen, dass sie verstanden hatte, und kam auf Zehenspitzen herüber.
Als sie beide im Korridor standen, sah Sophie, dass Kerry barfuß war.
» Sie haben mich zurückgeschickt, damit ich mir Stiefel suche. Ich hatte ganz falsche Schuhe an.« Die Wildleder-Pumps, die Sophie beim Frühstück gesehen hatte, hätten in der sumpfigen Herbstlandschaft da draußen höchstens ein paar Schritte weit durchgehalten.
» Hast du in der Schmutzdiele nachgesehen?«
Jetzt nickte Kerry nur.
Es ist, dachte Sophie, als dürfe sie nur eine bestimmte Anzahl von Wörtern pro Stunde sprechen und als habe sie ihre Quote bis ein Uhr bereits verbraucht. » Okay, mal sehen, was wir für dich finden können.« Sophie ging voraus zu Rowans Zimmer. » Welche Schuhgröße trägst du?«
Kerry spreizte die Finger der linken Hand und hielt den rechten Daumen daneben: sechs.
Direkt vor Sophies Nase lag ein einzelner Hunter-Stiefel in Racing Green, und in die Sohle war eine Sechs geprägt. Aber sein Partner war nirgends zu finden.
» Sie haben gesagt, wenn ich nichts finde, kann ich auch hierbleiben und dir helfen, die Guys für die Jungs zu machen.«
» Das kann ich schneller allein«, antwortete Sophie, und als ihr klar wurde, wie schroff das klang, fügte sie hinzu: » Ich meine, willst du mir nicht einfach Gesellschaft leisten? Es dauert nicht lange.« Sie wühlte weiter in dem Durcheinander und schrie dann auf, als ihre Fingerspitzen etwas Weiches, Raues und schockierend Vertrautes berührten. Im nächsten Augenblick hielt sie einen Pullover von Lydia hoch, den sie als Teenager zuletzt gesehen hatte. Instinktiv hielt sie ihn an die Nase und atmete ein. Für das objektive Auge war es eine grässliche selbst gestrickte Achtzigerjahre-Kreation aus pastellfarben marmorierter Wolle, eisweiß und lila mit winzigen silbernen Punkten darin. Der Flug durch die Zeit zurück zu ihrem Haus in der Cathedral Terrace ging so schnell, dass Sophie fast das Gefühl hatte, ihre Haare müssten flattern. » Der ist älter als du«, sagte sie zu Kerry. » Meine Mutter hat ihn gestrickt, als sie mit Felix schwanger war. Oh… es ist, als umarmte ich sie. Oder sie mich. Komisch, dass etwas so Hässliches einen so hohen sentimentalen Wert haben kann.«
» Er ist nicht hässlich«, sagte Kerry. » Ich habe so einen letzte Woche bei Topshop anprobiert.«
» Wirklich?« Sophie faltete den Pullover zusammen und legte ihn auf den Stapel der Sachen, die noch aufbewahrt werden sollten. » Da komme ich mir greisenhaft vor… Sachen, die ich abscheulich finde, sind so alt, dass sie schon wieder in Mode kommen. Egal, ich werde ihn ewig behalten.« Sie legte den Kleiderstapel unten in einem der Kleiderschränke in eine Schublade. » So, da sollten sie doch ziemlich sicher sein.«
Kerry sah ihr so aufmerksam zu, dass es Sophie befangen machte. » Ich habe überhaupt nichts, was meiner Mutter gehört hat«, sagte sie.
Schon besser, dachte Sophie und sah die potenzielle Vertraulichkeit. Angestrengt überlegte sie, wie sie Kerrys Ohren auf eine Weise ansprechen könnte, die sie als einfühlsame Zuhörerin präsentierte, nicht als aufdringliche große Schwester.
Mit ihrer Konzentration war es aus, als es knallte wie ein Schuss. Etwas flog gegen das Mansardenfenster und prallte ab. Sophies Aufschrei war ein Reflex, aber er war so laut, dass die Stille, die auf ihn folgte, reiner war als die vorhergegangene. Kerry hatte die Hand auf das Brustbein gelegt, als müsse sie ein hämmerndes Herz beruhigen.
» Tut mir so leid. Das war nur ein Feuerwerkskörper.« Sophie deutete mit dem Kopf auf den verräterischen Kohlenstofffleck an der Fensterscheibe. Sie war verlegen, weil sie die Beherrschung verloren hatte, und beschämt, weil ihre Anspannung so dicht unter der Oberfläche lauerte, und deshalb fing sie an zu plappern. » Die Kinder sind überdreht und werfen sie durch die Gegend, und sie können meilenweit fliegen. Wo sind denn alle? Wenn ich in der Stadt so geschrien hätte, hätten wir hier Sirenen, Blaulicht und das ganze Programm. Schau, horch!« Sie breitete die
Weitere Kostenlose Bücher