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Das Böse in dir

Titel: Das Böse in dir Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Linda Ladd
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geworfen und mich festgehalten. Er sagte, dass er mich liebt, dass er in mich verliebt sei und ähnliche abscheuliche Dinge. Dann hat er versucht, mich zu küssen und mir den Morgenmantel vom Leibe zu reißen. Aber ich habe ihn geohrfeigt. Da hat er zurückgeschlagen, und zwar kräftig. Ich war noch nie im Leben geschlagen worden, Detective. Ich habe die Panik bekommen. Endlich habe ich es geschafft, mich zu befreien und mich im Bad einzuschließen. Ich hatte Todesangst.«
    Mit gutem Grund. Nun verstand ich endlich, dass sie allen Grund gehabt hatte, ihren Stiefsohn zu hassen. Vorausgesetzt, dass ihre Geschichte stimmte, und Mikey Murphy war der einzige weitere Zeuge für diesen angeblichen Übergriff, und der war tot und begraben. »Haben Sie die Polizei verständigt, Mrs Murphy?«
    »Nein. Ich habe gehört, wie er ins Auto stieg und mit quietschenden Reifen die Auffahrt entlangraste.«
    »Was ist mit Ihrem Mann?«
    »Ich habe es ihm erzählt, doch er meinte, der Junge sei nur betrunken gewesen. Er werde ihm ins Gewissen reden.«
    Oh, wie großzügig von ihm. »Und hat er es getan?«
    »Ja, natürlich. Aber Mikey hat alles abgestritten, und es war in der fraglichen Nacht ja niemand wach gewesen, um meine Version der Dinge zu bestätigen. Mein einziger Beweis war ein kleiner Bluterguss an der Wange.«
    Interessant, dass sie es als ihre Version der Dinge bezeichnete, nicht als die Wahrheit. Ich machte mir noch ein paar Notizen. Meine Gedanken überschlugen sich. Ich wusste noch nicht, worauf sie hinauswollten.
    »Das war sicher sehr schwer für Sie«, sagte ich.
    »Ich habe im Leben schon viele schwere Dinge überstanden. Nach diesem Vorfall konnte ich Mikey nicht mehr ertragen und habe darauf geachtet, nie allein mit ihm im selben Raum zu sein. Noch schwerer fiel es mir allerdings, meinem Mann zu verzeihen, weil er es auf die leichte Schulter nahm, dass sein Sohn mich in meinem eigenen Bett überfallen hatte.«
    Lange blickten wir einander an. Ich hörte draußen Autos vorbeifahren. Ein Eichhörnchen saß hoch in einem riesigen Baum vor dem Fenster und unterhielt sich schnatternd mit seinen puschelschwänzigen Freunden. Mary Fern hatte recht. Es war wirklich nicht leicht, über so etwas hinwegzusehen. Ich hielt Ausschau nach Tränen oder unterdrückten Gefühlen, doch ihre Augen blieben trocken. Andererseits fixierten sie mich mit einem offenen, klaren Ausdruck, der normalerweise nicht auf Lügen hinwies und keinen Raum für Halbwahrheiten ließ.
    »Ich hatte Angst, er könnte meine Töchter belästigen«, fuhr sie fort, ohne den Blick von mir abzuwenden. »Das durfte ich nicht zulassen. Ich konnte erst wieder ruhig schlafen, als er aus dem Haus und in der Psychiatrie war. Ich dachte, die Ärzte könnten ihm helfen. Insbesondere sein Cousin. Sie waren schon immer gute Freunde gewesen. Mikey hat ihn bewundert, glaube ich. Nach der Therapie in Oak Haven standen sie einander für eine Weile sogar noch näher. Er meinte zu uns, Mikey würde seiner Ansicht nach wieder auf den richtigen Weg zurückfinden, nachdem er das Restaurant eröffnet hatte und in geordneten Verhältnissen lebte. Das Mädchen, mit dem Mikey damals zusammen war, sei auch Patientin in der Klinik gewesen und habe einen guten Einfluss auf ihn.«
    »Ich verstehe. Sie sprechen von Martin Young, richtig?«
    »Ja. Marty ist ein netter Mensch und wollte Mikey wirklich helfen. Hoffentlich glauben Sie mir, Detective. Ich sage die Wahrheit, das schwöre ich bei Gott.« Sie wartete auf meine Antwort, doch ich schwieg, da sich fast alle Leute, die ich vernehme, auf den lieben Gott berufen. Also sprach sie weiter. »Wahrscheinlich hat Mikey sich unter seinen drogensüchtigen Freunden viele Feinde gemacht. Und ich wiederhole noch einmal, dass ich Ihnen zustimme. Ich denke nicht, dass er sich umgebracht hat. Es war die größte Sorge meines Mannes, dass Mikey lieber Selbstmord begehen würde als weiterzuleben. Allerdings glaube ich nicht, dass er je mit diesem Gedanken gespielt hat. Dazu war er viel zu ichbezogen und egoistisch. Er baute auf sein gutes Aussehen und seine Intelligenz und hielt sich schon immer für klüger als seine Mitmenschen.«
    Aber offenbar war da jemand noch klüger gewesen. Jemand, der ihn getötet hatte und dem es beinahe gelungen war, es als Selbstmord durch Erhängen darzustellen.
    Mary Fern, inzwischen der Inbegriff der Kooperation, wartete auf die nächste Frage, doch das Läuten meines Telefons unterbrach uns. Ich holte es aus meiner

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