Das Brandhaus - Roman
Spurensicherung die Wohnung untersucht hatte. Immer noch lag das meiste in einem einzigen Durcheinander auf dem Fußboden. Irene und Hannu stiegen über die Sachen hinweg und versuchten sich einen Überblick zu verschaffen. Es handelte sich um eine kleine Dreizimmerwohnung mit Küche und Badezimmer. Sie war recht hell. Im Wohnzimmer gab es ein großes Südfenster und einen Balkon. Durch die schmutzigen Scheiben fiel allerdings nicht sonderlich viel Licht, aber Irene konnte trotzdem sehen, dass draußen die Sonne strahlte und bald versuchen würde, in das ramponierte Wohnzimmer hineinzuscheinen. Der einzige Gegenstand, der einigermaßen neu wirkte, war ein großer Flachbildfernseher auf einer niedrigen Bank. Vor dem Fernseher standen ein durchgesessenes Sofa, ein nicht dazupassender Sessel und ein Couchtisch mit einer gesprungenen Glasplatte. Der gewebte hellgraue Teppich mit beigem Muster war vermutlich einmal recht hübsch gewesen, jetzt war er jedoch mit unzähligen undefinierbaren
braunroten und braungrauen Flecken übersät. An der Wand hinter der Couch hing das einzige Bild im Zimmer. Das gerahmte Plakat eines weinenden kleinen Jungen.
Die Küche ging nach Osten. Die Morgensonne schien noch durchs Fenster und brachte das ganze Ausmaß der Verschmutzung zur Geltung. Auf der Spüle lag das ausgewrungene Aluinnenleben eines Kartonweins. Der zugehörige Karton auf dem Boden verriet, dass es sich um den billigsten Weißwein gehandelt hatte, der im staatlichen Spirituosenladen zu bekommen war.
Irene warf einen Blick in Kicki Olssons Schlafzimmer. Es war nur mit einem extrabreiten Bett, einem wackligen Nachttisch und einem Billy-Bücherregal möbliert. In dem Regal stand kein einziges Buch, dafür eine Unmenge Nippes, hauptsächlich Puppen und Porzellantiere. Überall im Zimmer verteilt lagen Kleider herum, und es roch muffig und schlecht gelüftet.
Moas Zimmer war recht klein. Die Unordnung war unbeschreiblich. Schulbücher, leere Chips- und Süßigkeitentüten, Kleider, Illustrierte und CDs lagen überall herum. Irene wusste, dass die Kriminaltechniker das Zimmer durchsucht und nichts von Interesse gefunden hatten, sie hatten allerdings auch nur nach dem Computer und dem Handy des Mädchens gesucht. Irene dagegen wollte sich ein Bild davon machen, wer Moa gewesen war und wie sie die letzten Tagen ihres Lebens zugebracht hatte.
Neben dem ungemachten Bett stand ein Küchenstuhl, der als Nachttisch diente. Auf dem Stuhl stand eine Lampe, daneben lag ein ungeöffnetes Paket Papiertaschentücher. Am Fußende des Bettes hing ein Spiegel an der Wand.
Auf beiden Seiten des Spiegels hatte Moa mit Stecknadeln Schulfotos von sich selbst an die Wand gepinnt. Eines davon war in allen Zeitungen zu sehen gewesen. Es war im Herbst aufgenommen worden und ein knappes halbes Jahr alt. Moa blickte mit ernster Miene geradewegs in die Kamera. Ihre Augen und Lippen waren stark geschminkt. Es war deutlich zu sehen, dass sie reichlich Make-up aufgetragen hatte. Ihr kräftiges Haar war schwarz gefärbt. Es fiel ihr von einem Mittelscheitel wellig auf
die Schultern. Sie sah gut aus, obwohl ihre Züge etwas zu grob waren, um als hübsch bezeichnet zu werden.
Auf dem anderen Foto lächelte Moa schüchtern in die Kamera. Ihr Haar war hier bedeutend kürzer und heller. Es lockte sich auf den Schultern. Sie war auf diesem Bild vielleicht elf oder zwölf Jahre alt und vollkommen ungeschminkt. Irene fiel auf, dass der Hauptunterschied im Ausdruck der Augen bestand. Das schwache Lächeln der jüngeren Moa spiegelte sich auch in ihren Augen. Der Blick der älteren Moa verriet überhaupt keine Gefühle. War es der Tod des Bruders gewesen, der das Lächeln in den Augen des Mädchens ausgelöscht hatte?
Auch in Moas Zimmer stand ein Billy-Regal. Ein Fach war mit Stofftieren in verschiedenen Größen gefüllt, auf einem anderen Regalbrett standen einige Schulbücher. Daneben ein Stapel Illustrierte, außerdem ein neuer CD-Player, ein Stapel CDs, zwei Päckchen Zigaretten und ein kleines gelbes Feuerzeug aus Plastik. Und überall Schminksachen und Parfümflaschen. Letztere fielen Irene ins Auge. Es handelte sich um sechs Flakons, einige waren halbvoll, andere gerade erst geöffnet worden, sämtliche teure Marken wie Kenzo und Dior. Jedes einzelne dieser Fläschchen kostete mindestens fünfhundert Kronen. Wie hatte Moa sich das leisten können? Plötzlich kam Irene der Gedanke, dass das der Grund ihres Verschwindens sein konnte. Von bösen Ahnungen
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