Das Brandhaus - Roman
ja alle im Augenblick enorm viel zu tun, da ist ein Stück Torte zum Freitagskaffee das Mindeste.«
Sie lächelte erneut und ließ den Blick über die Inspektoren des Dezernats wandern. Wie immer blieb er nicht auf Irene hängen, sondern wanderte rasch zur nächsten Person weiter. In diesem Augenblick wusste Irene, dass ihre Chefin mit der Torte etwas im Schilde führte. Ihr war nur nicht so recht klar, was.
Die Stimmung war entspannt und munter. Kommissar Andersson schien sich bei seinen Inspektoren von früher wohlzufühlen. Die neue Kommissarin war so charmant wie nie. Nach einer Weile unterhielten sich die beiden ungezwungen. Andersson erzählte einige Anekdoten aus seiner Zeit beim Dezernat, und Efva Thylqvists perlendes Lachen erfüllte den ganzen Raum. Plötzlich stieß sie Sven Andersson einen gut lackierten Fingernagel in die Brust und sagte:
»Ich habe mir sagen lassen, dass du sehr begabt bist, was die Lösung schwieriger Morde angeht. Du gibst nie auf!«
Sven Andersson Gesicht rötete sich bis zu den Ohrläppchen.
»Ach was. Ich bin auch nicht besser als die anderen...«
»Doch, du bist legendär!«
Es war nicht lange her, da hatte Irene dieses Urteil über einen anderen, bedeutend jüngeren Mann gehört, allerdings in einem vollkommen anderen Zusammenhang. Sven Andersson unterschied sich jedoch so sehr von Pablo Eros, wie man es sich nur vorstellen konnte.
»Legendär... tja, ich weiß nicht«, erwiderte Andersson verlegen.
Er lächelte etwas dümmlich und benahm sich kurz gesagt genauso wie die meisten Männer in der Nähe von Kommissarin Thylqvist.
»Ich habe mich mit dem stellvertretenden Bezirkspolizeichef unterhalten, und wir sind uns einig. Wenn es jemanden gibt, der den Fall mit der Mumie lösen kann, so bist du es!«
Die Unterhaltungen und das Gelächter im Kaffeezimmer verstummten wie auf Kommando. Bevor noch jemand etwas sagen konnte, schenkte Efva Thylqvist Sven Andersson ein strahlendes Lächeln und sagte:
»Der Mord an Mats Persson ist in genau sechs Monaten verjährt. Das ist ein perfekter Fall für den begabtesten Mord-Ermittler der Polizei Göteborg, und noch dazu Mitglied der Cold-Cases-Gruppe!«, sagte sie.
Irene konnte nicht umhin, Efva Thylqvist ein wenig zu bewundern. Statt eine Vertretung für das Dezernat zu organisieren, hatte sie es mit einem eleganten Schachzug fertiggebracht, den kompliziertesten Mordfall einfach abzugeben. Noch dazu einen, der keine sonderliche Priorität hatte. Sie hatte es nicht einmal nötig gehabt, Sven Andersson vier Monate lang zu groomen, um ihn in die Falle zu locken. Etwas Schmeichelei hatte genügt, ein Stück Torte und fünfzehn Minuten in ihrer Nähe.
Irene erinnerte sich daran, was Efva Thylqvist zu Tommy nach der Morgenbesprechung gesagt hatte: »Könntest du kurz in mein Büro kommen? Da gibt es noch etwas, worüber wir hinsichtlich der Mum... ich meine hinsichtlich Mats Persson sprechen sollten.« Natürlich hatte Tommy ihr erzählt, dass Sven Andersson Geburtstag gehabt hatte. Wie hätte sie das sonst wissen können? Irene sah den stellvertretenden Kommissar an, der jahrelang ihr bester Freund gewesen war. Sie konnte seinen Gesichtsausdruck nicht deuten.
Kommissar Sven Andersson erwiderte das strahlende Lächeln seiner Nachfolgerin nicht. Mit mürrischer Miene schob er seinen Teller mit einem halbgegessenen Stück Torte von sich.
Irene und Krister hatten Irenes Mutter versprochen, am Samstagmorgen gegen zehn bei ihr zu erscheinen. Es war wieder Zeit für ein Großreinemachen, einschließlich Fensterputzen. Die mobile Altenpflege kümmerte sich nicht darum, sondern putzte nur alle zwei Wochen die zwei Zimmer mit Küche und Bad. In die kleine Kammer neben der Küche drangen sie laut Absprache nicht einmal mit dem Staubsauger vor. Diesem Zimmer widmeten Irene oder Krister sich von Zeit zu Zeit. In der Kammer hatte Irene die ersten achtzehn Jahre ihres Lebens verbracht. Sie diente ihrer Mutter Gerd inzwischen als Gästezimmer, war aber schon mehrere Jahre nicht mehr wirklich genutzt worden. Irenes Mutter wurde im September 79 Jahre alt. Sie war immer sehr stark gewesen, sowohl physisch als auch mental. Und irgendwie war Irene davon ausgegangen, dass das immer so sein würde. Gerd hatte ihr und ihrer Familie immer unter die Arme gegriffen, sie hatte sich um ihren Mann gekümmert, als dieser an Krebs erkrankt war, und hatte sich gleichzeitig noch um ihre eigenen Eltern gekümmert, als diese alt und gebrechlich geworden waren. Irenes
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