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Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2

Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2

Titel: Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: J.R.R. Tolkien
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darauf ertönte der große Gong.
Die zweite Fassung der
»Geschichte von Tinúviel«

    Wie bereits oben (S. 9) bemerkt, liegt ein Teil der Erzählung in einer revidierten Fassung vor (ein von meinem Vater angefertigtes Typoskript). Diese folgt der Manuskriptversion im Großen und Ganzen sehr eng und hat Stil und Atmosphäre der ersten Fassung beibehalten: Es ist darum nicht notwendig, diese zweite Fassung in voller Länge wiederzugeben. Gleichwohl weist sie an einigen Stellen interessante Veränderungen auf, die im Folgenden aufgeführt sind (die Seitenzahlen der entsprechenden Manuskriptfassung, wie oben abgedruckt, stehen am Rand).
    Die Überschrift im Typoskript (das mit dem oben, S. 12ff. abgedruckten Verbindungsstück beginnt), lautete ursprünglich »DieGeschichte von Tynwfiel, Prinzessin von Dor Athro« und wurde später geändert zu »Die Geschichte von Tinúviel, der Tänzerin von Doriath«.
    15 »Wer war Tinúviel?«, fragte Eriol. »Weißt du denn nicht«, sagte Ausir, »dass sie die Tochter war von Singoldo, dem König von Artanor?« – »Sei still, Ausir«, sagte Veanne, »dies ist meine Geschichte, und es ist eine Geschichte der Gnomen, und deshalb bitte ich dich, Eriol nicht mit deinen elbischen Namen in den Ohren zu liegen. Höre! Ich allein werde diese Geschichte erzählen. Habe ich nicht vor langer Zeit Melian und Tinúviel mit meinen eigenen Augen gesehen, als ich über den Pfad der Träume wanderte?«
    »Wie sah denn Königin Melian aus«, fragte Eriol, »als du sie gesehen hast, o Veanne?«
    »Schlank und mit sehr dunklem Haar«, sagte sie, »und ihre Haut war weiß und matt, doch ihre Augen leuchteten und verrieten große Tiefe. Gekleidet war sie in allerliebste, hauchdünne Gewänder, nächtlichen Farben vergleichbar, und sie wurden von Spangen aus Jett und einem silbernen Gürtel gehalten. Wenn immer sie sang oder tanzte, drängten sich Träume und Schläfrigkeit in die Köpfe jener, die in der Nähe waren, und machten sie schwer, als hätten sie vom starken Wein des Schlafs gekostet. Tatsächlich war sie eine Fee, die, lange bevor Kôr erbaut wurde, aus den Gärten Lóriens entschlüpft, durch die wilden Flecken der Welt und jeden einsamen Wald schweifte. Nachtigallen folgten ihr und umgaben sie mit ihrem Gesang – und dieser Gesang war es, der die Ohren Thingols betörte, als er an der Spitze jenes zweiten 16 Stammes der Eldalie marschierte, der später die Flötenspieler des Küstenlandes genannt wurde, die Solosimpi der Insel. Nun hatten sie sich ein gehöriges Stück Weges vom trüben Palisor entfernt, und als die Scharen sich mühselig hinter dem schnellfüßigen Pferd Oromes dahinschleppten, kam Thingol die Musik der zaubrischen Vögel Melians wie ein Trostgesang vor, schöner als andere Melodien der Erde, und er entfernte sich nur einen Augenblick, wie es ihm schien, vom Heer und forschte zwischen den dunklen Bäumen nach der Quelle des Gesanges.
    Und es heißt, dass es kein Augenblick war, den er lauschend verhielt, sondern viele Jahre, und vergeblich suchte sein Volk nach ihm, bis es schließlich wohl oder übel Orome nach Tol Eressea folgen musste und auf und davon war und ihn in den Wäldern von Aryadorzurückließ, wo er verzückt den singenden Vögeln lauschte. Dies war das erste Leid der Solosimpi, dem später viele andere folgten; doch zur Erinnerung an Thingol pflanzte Ilúvatar eine Gabe der Musik in die Herzen dieses Volkes, die sie über alle Kinder der Erde erhob, ausgenommen nur die Götter, und diese Gabe blühte später, wie die Geschichten vermelden, aufs wunderbarste auf der Insel und im prächtigen Valinor.
    Thingol hingegen wurde nur geringes Leid zuteil; denn nach einer kleinen Weile, wie ihm schien, stieß er auf Melian, die auf einem Bett aus Blättern lag …
    16 Lange Zeit später brach Melko, wie du weißt, von Valinor wieder in die Welt ein, und nahezu alle Geschöpfe der Welt gerieten unter seine elende Sklavenherrschaft; und weder die Verschollenen Elben waren frei noch die umherwandernden Gnomen, die auf der Suche nach ihrem gestohlenen Schatz durch die gebirgigen Lande zogen. Doch einige wenige gab es, die, angeführt von mächtigen Königen, dennoch dem Bösen trotzten, an sicheren Orten verborgen, und wenn Turgon, König von Gondolin, der ruhmreichste dieser Könige war, so war Thingol aus den Wäldern eine Zeitlang der mächtigste, und er bewahrte sich am längsten seine Freiheit.
    Nun wohnte Thingol in den späten Tagen des Sonnenlichtes und des

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