Das Buch der verschollenen Geschichten - Teil 1 & Teil 2
forderst den Herrn des Dunkels auf seinem Thron heraus. Aber welchen Weg du auch gehst, ich gehe mit dir, und unser Schicksal wird eines sein.«
Darauf kommt es zum Angriff Celegorms und Curufins auf Beren und Lúthien, Huan verlässt seinen Herrn und schließt sich den beiden an; zusammen kehren sie nach Doriath zurück; als sie dort angekommen sind, verlässt Beren die schlafende Lúthien und reitet auf Curufins Pferd zurück nach Norden. Am Rand der Anfauglith wird er von Huan eingeholt, der Lúthien auf dem Rücken trägt und aus Tol-in-Gaurhoth die Felle von Draugluin und Thuringwethil (Saurons Botin in Gestalt einer Fledermaus, die in der alten Geschichte fehlt) mitbringt; in diese Felle gekleidet gehen Beren und Lúthien nach Angband. Huan ist ihr tatkräftiger Ratgeber.
Die spätere Sage ist also in diesem Teil bewegter und ereignisreicher als die Geschichte von Tinúviel (obgleich die endgültige Form sich nicht, wie man glauben könnte, bruchlos herstellte); im Silmarillion wird das besonders durch die Tatsache deutlich, dass die Schilderung eine Verdichtung und Straffung des Leithian-Liedes ist. 4
In der Geschichte von Tinúviel ist die Verkleidung Berens mit charakteristischen Einzelheiten beschrieben: Tinúviel unterweist ihn im kätzischen Benehmen; er fühlt sich unbehaglich in der Hitze des Fells. Hier verkleidet sich Tinúviel noch nicht als Fledermaus, und während sie im Silmarillion »ihr ekles Gewand abwerfend« vor Carcharoth trat und »ihm zu schlafen gebot«, benutzt sie hier abermals ihr magisches Haargespinst: »und sie streifte mit den schwarzen Falten ihres Gewandes seine Augen« (S. 55). Die Gleichgültigkeit Karkaras’ gegen den falschen Oikeroi steht im Gegensatz zu Carcharoths Argwohn gegen den falschen Draugluin, von dessen Tod er gehört hatte: In der alten Geschichte wird betont, dass noch keine Nachricht von der Niederlage Tevildos (und dem Tod von Oikeroi) nach Angamandi gelangt war.
Die Begegnung Tinúviels mit Melko wird weitaus detaillierter beschrieben als im Silmarillion. Bemerkenswert ist die Stelle S. 57: »… warf er ihr einen tückischen, entsetzlichen Blick zu, denn sein düsterer Geist brütete Übles aus«. Dies ist der Vorläufer folgender Passage im Silmarillion (S. 201):
»Da erfasste Morgoth, als er ihre Schönheit sah, im Geiste ein böses Gelüst, und ein schwärzerer Plan als je einer seit seiner Flucht aus Valinor kam ihm ins Herz.«
Ob Melkos Worte zu Tinúviel (»Wer bist du, die du wie eine Fledermaus in meine Hallen flatterst?«) und die Beschreibung ihresTanzes (»lautlos wie eine Fledermaus«) der Keim ihrer späteren Verkleidung als Fledermaus waren, kann man nicht sagen, obgleich es möglich erscheint.
In der Geschichte von Tinúviel stammt das Messer, mit dem Beren den Silmaril aus der eisernen Krone schnitt, aus der Küche von Tevildos Schloss (S. 52; 58); im Silmarillion war es Angrist, das berühmte von Telchar angefertigte Messer, das Beren Curufin abnahm. Hier werden die Schlafenden in Angamandi vom Geräusch der zerbrechenden Messerklinge aufgestört; im Silmarillion fliegt ein Stückchen des abgebrochenen Messers davon und trifft Morgoths Wange, was ihn aufstöhnen und sich rühren lässt.
Es gibt einen kleinen Unterschied in der Beschreibung der Begegnung mit dem Wolf, als Beren und Tinúviel aus dem Schloss fliehen. Im Silmarillion war Lúthien »erschöpft und hatte weder Zeit mehr noch Kraft, den Wolf zu bändigen«; in der Geschichte, so scheint es, hätte sie es getan, wäre ihr Beren nicht zuvorgekommen. Weit wichtiger ist, dass hier zum ersten Mal von der heiligen Kraft des Silmaril die Rede ist, die unheiliges Fleisch versengt. 5
Die Flucht von Beren und Tinúviel aus Angamandi und ihre Rückkehr nach Artanor werden in der Geschichte von Tinúviel ganz anders behandelt. Im Silmarillion (S. 202f.) wurden sie von Adlern gerettet und an den Grenzen Donaths abgesetzt; breiter wird die Heilung von Berens Wunde behandelt, wobei Huan eine Rolle spielt. In der alten Geschichte stößt Huan später, nach ihrer langen Flucht zu Fuß nach Süden, zu ihnen. In beiden Schilderungen gibt es zwischen ihnen eine Auseinandersetzung, ob sie zu den Hallen ihres Vaters zurückkehren sollen oder nicht, die auf verschiedene Weise beendet wird – in der Geschichte ist es Tinúviel, die Beren zur Rückkehr überredet, im Silmarillion ist es Beren, der sie überredet.
In der Geschichte von der Wolfs-Jagd gibt es ein merkwürdiges Detail, das hier
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