Das Cassandra-Projekt: Roman (German Edition)
hörten sie ihm nur zu, offenbar neugierig, worauf er hinauswollte. »Und wenn dem so ist, bedeutet das dann nicht auch, dass alle folgenden Präsidenten, also Ford, Carter, Reagan, Bush 41, Clinton, Bush 43, Obama und Cunningham, ebenfalls der Ansicht waren beziehungsweise sind, dass Geheimhaltung notwendig ist? Und wenn all diese Präsidenten einer Meinung sind, wäre das dann nicht vielleicht ein guter Grund, keine Bemühungen anzustellen, um aufzudecken, was sie geheim gehalten haben?«
Wie zum Teufel soll ich darauf antworten?, dachte Jerry. Das ist die gleiche Frage, die ich mir jede Nacht stelle, wenn ich zu Bett gehe.
»Sie wissen, was für ein geheimniskrämerischer Schlawiner Nixon war«, sagte NBC. »Wahrscheinlich hat er Agnew oder Ford nie etwas davon erzählt. Also gibt es vielleicht gar keine Verschwörung der Präsidenten, sondern nur die Charakterschwäche eines Präsidenten.«
Die Journalisten fingen an, untereinander zu diskutieren: Hätte Nixon jemandem davon erzählt? Warum sollte sich einer seiner Nachfolger veranlasst sehen, Nixons Geheimnis zu wahren?
Mit einem erleichterten Seufzer entspannte sich Jerry. Die Erleichterung wich jedoch schnell der Erkenntnis, dass die Medienmeute ihn vermutlich schonte, weil dies sein erster Tag in seinem neuen Job war.
Die Konferenz dauerte noch weitere zwanzig Minuten. Dann, als schließlich Ruhe einkehrte, fragte einer der Journalisten, ob Jerry bei einer künftigen Mondreise mit an Bord wäre.
Jerry schüttelte den Kopf. »Der Mond würde mich reizen, ja. Aber um ehrlich zu sein, fliege ich nicht einmal gern. Ich ziehe festen Boden unter den Füßen vor.«
»Na, Sie sind mir ein Sprecher für ein Raumfahrtprojekt!«, prustete einer der Reporter.
»Als ich noch Sprecher der NASA war, schien Sie das nicht zu stören«, entgegnete Jerry kühl. »Ich erinnere mich nicht, dass Sie etwas dagegen hatten, als ich persönliche Interviews für Sie anberaumt habe, als niemand anderes dazu bereit war.«
Die versammelten Journalisten schienen zu begreifen, dass sie damit Jerry persönlich für einen Tag genug bedrängt hatten, ganz besonders für seinen ersten Tag. Sie stellten fortan nur noch ein paar harmlose Fragen, bis Jerry verkündete, er würde noch eine letzte Frage beantworten und die Konferenz dann beenden.
»Hat das Schiff zum Mond schon einen Namen?«, erkundigte sich Newsweek. »Vielleicht so was wie Enterprise?«
»Ja, es hat einen Namen«, antwortete Jerry.
»Und, wie lautet der?«
Jerry drehte sein Gesicht so, dass es vom größten Teil der Kameras erfasst wurde. »Es heißt Sidney Myshko.«
Und achtundzwanzig Stockwerke über ihm lächelte Bucky Blackstone zufrieden. »Wir haben einen guten Mann angeheuert«, sagte er zu Gloria Marcos. »Ich glaube, wir behalten ihn.«
25
»Nach allem, was ich für ihn getan habe!«, regte sich der Präsident auf. Er tat es, während er zusah, wie Jerry Culpepper Morgan Blackstone verteidigte. George Cunningham erfüllt das immer stärker werdende Gefühl, verraten worden zu sein, als Culpepper dann auch noch andeutete, dass die Regierung das Volk absichtlich getäuscht habe.
»Würden Sie nicht zum Mond fliegen, wenn Sie die Möglichkeit hätten?«, fragte Jerry gerade herausfordernd. »Und wenn Sie überzeugt wären, dass da oben etwas passiert ist, das die Regierung ein halbes Jahrhundert lang verheimlicht hat, wäre das dann nicht umso mehr ein Grund, hinzufliegen?«
George schüttelte den Kopf. »Man kann niemandem trauen, Ray. Wenn ich nicht wäre, würde Culpepper TV-Werbung für irgendeine obskure Firma aus Ohio machen. Er müsste immer noch versuchen, die Zuschauer davon zu überzeugen, dass er auf ihrer Seite wäre. Er würde immer noch tönen, ›das Team‹ Carmichael & Henry schätze sich glücklich, es im Dienste jener Lungenkranken …«, George überlegte, um welche Krankheit es damals eigentlich gegangen war, »… mit den Großkonzernen wegen deren verantwortungslosen Bauausführung aufzunehmen.«
George hatte Culpepper in Ohio an Bord geholt. Damals hatte George sich erfolgreich um den Einzug in die Gouverneursvilla beworben. Culpepper hatte durch ihn die Chance geboten bekommen, es während des Präsidentschaftswahlkampfes 2016 zu bundesweiter Bekanntheit zu bringen. »Anschließend habe ich ihm noch einen Job bei der NASA in den Schoß gelegt, und so dankt er es mir!«
Culpepper hatte die Pressekonferenz gewiss hinter sich gelassen und war wieder im Terminal von Fiat Plains. Es
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