Das Comeback
Leider kenn ich die Frau kaum. Aber nicht schlecht, Bosch. Du versuchst dein Bestes. Das gefällt mir. Aber ich möchte dir mal was sagen, Bosch.«
Er beugte sich über den Tisch und senkte seine Stimme.
»Falls ich dir mal irgendwann draußen begegnen sollte und sonst niemand da ist, nur wir beide, werde ich dir den Arsch bis zu den Ohren aufreissen.«
Er richtete sich wieder auf und nickte. Bosch lächelte.
»Weißt du, ich war mir eigentlich nicht sicher bis jetzt. Aber jetzt bin ich’s. Du warst es, Powers. Du bist der Täter. Und du wirst nie mehr rauskommen. Nie. Also, wessen Idee war es. Hat sie es zuerst vorgeschlagen oder du?«
Powers starrte unwillig auf den Tisch und schüttelte den Kopf.
»Mal sehen, ob ich drauf komme«, sagte Bosch. »Ich schätze, du warst in der Villa und sahst, was sie alles hatten – das Geld, und vielleicht hast du auch von Tonys Rolls gehört –, und du begannst nachzudenken. Ich wette, es war deine Idee, Powers. Aber ich glaube, sie wußte, daß du dir irgendwas ausdenken könntest. Sie ist nämlich eine intelligente Frau. Sie wußte es und wartete.
Und weißt du was? Wir haben nichts gegen sie in der Hand. Nichts. Sie hat dich wie eine Marionette benutzt. Bis zum Ende. Sie wird davonkommen und du « – er deutete auf Powers’ Brust – »wirst die Strafe absitzen. Willst du das?«
Powers lehnte sich mit einem amüsierten Lächeln zurück.
»Hast du es immer noch nicht kapiert?« sagte Powers. »Du bist der Botenjunge. Aber schau dich an, du kannst nichts liefern. Was hast du schon. Du kannst mir nicht den Mord anhängen. Ich habe die Leiche gefunden. Ich habe den Wagen geöffnet. Falls du Abdrücke findest, habe ich sie bei der Gelegenheit gemacht. Der Rest ist ein Haufen Mist, der nichts wert ist. Wenn du damit zur Staatsanwaltschaft auf der Temple Street gehst, lachen sie dich aus. Also gib mir das Telefon, Botenjunge. Wir werden sehen, was passiert.«
»Noch nicht, Powers«, sagte Bosch. »Noch nicht.«
Bosch saß an seinem Platz am Mord-Tisch, den Kopf auf die gefalteten Arme gebettet. Ein leerer Kaffeebecher stand bei seinem Ellbogen und eine Zigarette, die er an der Tischkante abgelegt hatte, war bis zum Filter heruntergebrannt und hatte einen weiteren Flecken im alten Holz hinterlassen.
Bosch war allein. Es war fast sechs, und durch die Fenster oben an der Ostseite des Büros waren die ersten Anzeichen der Dämmerung zu erkennen. Er hatte Powers vier Stunden in der Mangel gehabt und nichts erreicht. Er hatte noch nicht mal seine coole Haltung erschüttern können. Die ersten Runden waren zweifellos an den Streifencop gegangen.
Bosch schlief jedoch nicht. Er ruhte sich nur aus und wartete. Seine Gedanken konzentrierten sich weiter auf Powers. Bosch hatte keine Zweifel. Er war sich sicher, daß der richtige Mann gefesselt in der Verhörzelle saß. Die wenigen Beweise, die sie hatten, deuteten alle auf Powers. Aber mehr als die Beweise überzeugten ihn seine Erfahrung und sein Instinkt. Ein Unschuldiger hätte Angst und nicht Powers’ Selbstsicherheit. Ein Unschuldiger hätte Bosch nicht provoziert. Seine Aufgabe bestand weiterhin darin, Powers die Selbstsicherheit zu nehmen und ihn zu brechen. Bosch war müde, aber fühlte sich dazu in der Lage. Das einzige, was ihm Sorge bereitete, war die Zeit. Die Zeit war sein Feind.
Bosch hob seinen Kopf und schaute auf die Uhr. Billets würde in drei Stunden zurückkommen. Er nahm den leeren Becher, fegte mit der Handfläche die abgebrannte Zigarette und die Asche hinein und warf alles in den Papierkorb unterm Tisch. Er stand auf, steckte sich eine neue Zigarette an und ging zwischen den Tischen der einzelnen Abteilungen entlang. Er versuchte, einen klaren Kopf für die nächste Runde zu bekommen.
Er überlegte sich, Edgars Piepser anzurufen, um zu sehen, ob er und Rider schon etwas gefunden hatten – irgend etwas, das helfen würde –, aber entschied dagegen. Sie hätten angerufen oder wären zurückgekommen, wenn sie etwas hätten.
Während er am anderen Ende des großen Büros stand und ihm diese Gedanken durch den Kopf gingen, fiel sein Blick auf den Tisch für Sexualverbrechen. Nach ein paar Sekunden merkte er, daß er ein Polaroid-Foto des Mädchens anschaute, das mit ihrer Mutter am Freitag aufs Revier gekommen war, um die Vergewaltigung zu melden. Das Foto lag oben auf einem Stapel Polaroids, die mit einer Büroklammer an einem Aktendeckel befestigt waren. Detective Mary Cantu hatte es oben auf ihrem
Weitere Kostenlose Bücher