Das Comeback
gerade vier, fünf Monate hier, hatte allmählich Fuß gefaßt, sechs Abende pro Woche gespielt. Irgendwie wußte er über mich Bescheid. Wer ich war. Daß ich gerade entlassen worden war. Er hat mir erklärt, daß es eine Straßensteuer gebe. Ich müßte bezahlen, alle Profis von hier würden bezahlen. Wenn ich es nicht tun würde, würde es Ärger geben. Wenn ich zahlen würde, würden sie mich beschützen. Mir helfen, wenn es Probleme gebe. Du kennst die Masche. Schlicht und einfach Erpressung.«
Sie brach ab und begann zu weinen. Bosch mußte seine ganze Willenskraft aufbringen, um nicht aufzustehen, sie in seine Arme zu nehmen und zu trösten.
»Ich war allein«, sagte sie. »Ich hatte Angst. Ich habe gezahlt. Jede Woche. Was hätte ich tun sollen. Ich hatte kaum Geld. Und wohin hätte ich gehen sollen?«
»Verdammt«, stieß Bosch hervor.
Er stand auf, zwängte sich an dem Tisch vorbei, zog sie zu sich herauf und küßte sie auf die Stirn.
»Dir wird nichts passieren«, flüsterte er. »Das verspreche ich dir, Eleanor.«
Er hielt sie schweigend ein paar Augenblicke und hörte, wie sie weinte, bis die Tür sich öffnete und Iverson erschien. Er hatte einen Zahnstocher im Mund.
»Verpiß dich, Iverson.«
Der Detective schloß langsam die Tür.
»Es tut mir leid«, sagte Eleanor. »Du wirst wegen mir Probleme bekommen.«
»Nein, es ist nicht deine Schuld. Das habe ich mir selbst eingebrockt. Alles.«
Ein paar Minuten später ging er zu Feltons Büro zurück. Der Captain schaute ihn wortlos an.
»Sie hat Schutzgeld an Quillen gezahlt. Zweihundert Dollar pro Woche. Das ist alles. Die Straßensteuer. Sie weiß nichts. Sie hat nur zufällig am Freitag eine Stunde mit Aliso am gleichen Tisch gesessen. Sie ist sauber. Lassen sie sie gehen. Sagen Sie Ihren Leuten Bescheid.«
Felton lehnte sich zurück und begann sich mit dem Ende seines Stifts auf die Lippe zu trommeln.
»Ich weiß nicht«, sagte er.
»Okay, ich mache Ihnen ein Angebot. Sie lassen sie gehen, und ich werde meine Leute anrufen.«
»Und was werden Sie ihnen sagen?«
»Ich werde ihnen sagen, daß ich exzellente Unterstützung von der Polizei hier bekommen hätte und daß wir die Ermittlungen als Gemeinschaftsoperation durchführen sollten. Wir sollten Goshen hier unter Druck setzen und zwei Fliegen mit einem Schlag erledigen: Goshen und Marks. Weil Marks derjenige war, der Alisos Mord beschlossen hat. Und ich werde erklären, daß es sich empfiehlt, die Führung der Polizei von Las Vegas zu überlassen, weil sie sich hier besser auskennt und Marks kennt. Einverstanden?«
Felton trommelte einen anderen Rhythmus auf seiner Lippe, schließlich beugte er sich vor und drehte das Telefon zu Bosch hin.
»Rufen Sie gleich an«, sagte er. »Nachdem Sie mit Ihrem Commander gesprochen haben, geben Sie mir den Hörer. Ich möchte mit ihm reden.«
»Es ist eine Frau.«
»Egal.«
Eine halbe Stunde später fuhr Bosch in einem geborgten Zivilwagen der Polizei. Eleanor Wish saß in sich zusammengesunken auf dem Beifahrersitz. Das Gespräch mit Lieutenant Billets war befriedigend verlaufen, und Felton hatte sich an ihre Abmachung gehalten. Eleanor durfte gehen, obwohl der Schaden nicht mehr zu beheben war. Sie hatte es geschafft, sich eine neue Existenz aufzubauen, aber jetzt war ihr ganzes Selbstvertrauen, ihr Selbstbewußtsein sowie jegliches Gefühl von Sicherheit zerstört. Er war sich bewußt, daß es seine Schuld war. Er fuhr schweigend und hatte nicht die geringste Idee, was er sagen oder wie er ihre Lage verbessern könnte. Es tat ihm in der Seele weh, weil er ihr wirklich helfen wollte. Vor dem gestrigen Abend hatte er sie fünf Jahre lang nicht gesehen, aber sie war ständig in seinen tiefsten Gedanken anwesend – auch wenn er mit anderen Frauen zusammen gewesen war. Eine innere Stimme hatte ihm immer zugeflüstert, daß Eleanor Wish die richtige Frau für ihn sei. Sie waren für einander bestimmt.
»Sie werden mich immer wieder holen«, sagte sie leise.
»Was?«
»Erinnerst du dich an den Bogart-Film, als der Kommandant sagt, ›Verhaftet die üblichen Verdächtigen‹, und die Polizisten gehen auf die Straße und tun es? Das bin ich. Damit meinen sie mich jetzt. Anscheinend habe ich es bis heute nicht begriffen, daß ich eine der üblichen Verdächtigen bin. Wahrscheinlich sollte ich dir für die kalte Dusche Realität danken.«
Bosch sagte nichts. Er wußte nicht, was er erwidern sollte, da sie die Wahrheit sagte.
Einige Minuten
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