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Das Dornenhaus

Das Dornenhaus

Titel: Das Dornenhaus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lesley Turney
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und Abgespanntheit, die sich klar in Ellens Gesicht spiegelten, oder ihr schmallippiges Lächeln. Auch nicht die Tatsache, dass der Garten für eine Geburtstagsparty dekoriert war, obwohl außer ihr niemand zu sehen war. Nein, das Irritierende waren die Kletterrosen, die so geschnitten waren, dass sie sich mit dem kunstvollen schmiedeeisernen Bogengerüst verwoben. Die Pflanzen waren zwar gut gewachsen, aber irgendwann offensichtlich sich selbst überlassen worden; Hagebutten mischten sich unter die Rosenstauden. Aber es waren auch nicht die wild wachsenden Stauden, die mich beunruhigten. Was mir das Blut in den Adern gefrieren ließ, war die Erinnerung daran, dass das Foto im August aufgenommen worden war. Im Hochsommer, als die Rosen voller Blüten hätten sein müssen, die die Luft mit ihrem Duft erfüllten.
    Eigentlich hätte Ellen auf diesem Foto von Rosen umrankt sein sollen, und zu ihren Füßen hätten herabgefallene Blätter liegen müssen. Aber da war nichts.
    Nicht eine einzige Blüte war zu sehen.

ZEHN

    M eine schönsten Erinnerungen rühren aus der Zeit, die ich mit Jago und Ellen am Bleached Scarp verbrachte. Als wir noch Teenager waren und bevor alles kompliziert wurde und falsch zu laufen begann.
    Bleached Scarp war ein Strand, den Jago entdeckt hatte und den außer uns dreien niemand kannte. Er war unser ganz privates Paradies und befand sich in einer hufeisenförmigen Bucht unterhalb der Klippen von Gonnhilly Down. Jago hatte einen verborgenen Pfad zu diesem Strand entdeckt, in eine Felsspalte gehauene Stufen. Um den Einstieg zu erreichen, mussten wir über den Zaun klettern, der den oberen Klippenrand von dem Küstenweg trennte, und dann über den schwarzen, mit Riedgras und Kopfbinsen bewachsenen, schwammigen Kleiboden stapfen. Nach ein paar Metern erreichte man einen schmalen Schotterpfad, der sich durch die Felsen bis zu der Spalte wand, durch die es dann zum Strand hinabging. Als Jago uns zum ersten Mal mitnahm und mühelos in der schwarzen Schneise verschwand, zögerten Ellen und ich. Wir hatten Angst, ihm zu folgen, da die Felswände schwarz wie die Nacht waren und das Tosen der Wellen, die tief unten gegen die Höhlenwände klatschten, nach oben hin anschwoll. Auch der Geruch nach nassem Sand und Seegras, der durch den Felsschacht heraufstieg, war mir nicht ganz geheuer.
    »Los, kommt! Worauf wartet ihr?«, schrie Jago von unten. Seine Stimme echote durch den Felstunnel herauf.
    Ellen und ich tauschten ängstliche Blicke aus. Der Wind blies vom Meer herein und schlug uns das Haar vors Gesicht, und hundert Meter unter uns sah man die aufgewühlte grünblaue See. Ein einzelner Seehund tanzte im Wasser, sein Kopf balancierte auf den spritzenden Wellen.
    »Okay, lass uns gehen!«, sagte Ellen. Ihre Augen glänzten vor Abenteuerlust. Sie bückte sich und zog die Schuhe aus, sagte nochmals »Komm, Hannah!« und verschwand dann ebenfalls in dem schwarzen Schlund. Nach kurzem Zögern folgte ich ihr.
    Wir erzählten nie jemandem von dem kleinen Strand. Er war unser ganz privater Rückzugsort, und wir liebten ihn, auch wenn ich mir dessen damals nicht bewusst war.
    Besonders an einen Herbst erinnere ich mich … Ich war fast vierzehn, Ellen neun Monate jünger und Jago zwei Jahre älter als ich. Sein Körper faszinierte mich. Er war groß geworden, wobei vor allem seine Hände und Füße riesig wirkten, als wäre der Rest seines Körpers nicht so schnell mitgekommen. Unter seinen Achseln spross weiches rötlich-braunes Haar, Brust und Rücken waren mit Akne übersät. Und trotz seiner breiten, muskulösen Schultern war er noch immer ein Junge, noch nicht erwachsen.
    In diesem Jahr erlebte Cornwall einen wunderschönen Herbst. Die Blätter an den Bäumen hatten sich rot und golden verfärbt, und die Sonne, die zwischen ihnen hindurchschien, zauberte die herrlichsten Farben in die Landschaft. Es war ungefähr in der Mitte des Herbsttrimesters, und man konnte noch immer schwimmen. Im Geiste sehe ich Ellen und Jago in ihren Badesachen auf einer ins Meer ragenden Felsnase stehen und laut zählen – drei, zwei, eins –, ehe sie gemeinsam ins Wasser sprangen, wieder auftauchten und angesichts des kalten Wassers lachend die Köpfe schüttelten. Sie waren wie zwei geschmeidige, muskulöse Meereswesen. Sie schwammen zu den Felsen zurück, halfen einander aus dem Wasser, behände wie Äffchen, um von Mal zu Mal von einem noch höheren Punkt aus zu springen, die Arme im Flug weit ausgebreitet. Wenn sie des

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