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Das dunkle Netz der Lügen

Das dunkle Netz der Lügen

Titel: Das dunkle Netz der Lügen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Kaffke
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hatte Lina Roses Lohn für den ganzen Monat bezahlt, aber danach, so ahnte Rose, würde sie auf der Straße stehen.
    «Rose, ich habe endlich die Erlaubnis bekommen, mich um das Haus des Barons zu kümmern. Frau von Sannbergs Mutter hatte versucht, den Verkauf zu verhindern, aber der Bürgermeister hat den Weseler Staatsanwalt überredet, dass der Baron bis zu einer Verurteilung uneingeschränkt über sein Vermögen verfügen kann. Wir werden daher nach dem Wunsch des Barons seine alten Möbel zurück in das Haus auf der Friedrich-Wilhelm-Straße bringen. Und ich möchte, dass du dich hauptsächlich darum kümmerst. Wir haben ja viel Zeit.»
    Rose nickte. Dann fragte sie: «Was wird aus mir, wenn das getan ist?»
    Lina lächelte. «Darüber habe ich mir auch schon Gedanken gemacht. Du warst hier im Haus eine große Hilfe während Finchens Krankheit, aber jetzt ist sie fast wieder gesund, und in diesen Zeiten kann ich mir kein überflüssiges Personal leisten. Aber ich dachte, ich spreche mit Beatrice Messmer. Wenn das Kind erst auf der Welt ist, werden sie und ihr Mann sicher in ein eigenes Haus ziehen wollen. Und ich könnte mir vorstellen, dass dort Platz für dich wäre, schließlich ist sie mit dir als Hausangestellter groß geworden. Und wenn es sich nochetwas hinzieht bis dahin, werden wir ganz sicher eine Lösung für dich finden.»
    «Danke, Frau Borghoff, vielen Dank!» Sie war sichtlich gerührt und wischte sich mit dem Ärmel eine Träne aus dem Auge. Dann sagte sie gefasst: «Dann mal los. Womit fangen wir an bei dem Umzug?»
    «Ich fürchte, du musst erst einmal im alten Haus alles sauber machen, bevor wir die Möbel dorthin bringen lassen. Nimm dir Susannas Schwester zu Hilfe, und ich schicke dir auch Otto und Dietrich für ein paar Stunden.»
    «Gut.» Rose stand auf und sah gar nicht mehr so unglücklich aus. «Dann gehe ich an die Arbeit.»
     
    Lina hatte nachmittags viel im Salon zu tun. Mit gemischten Gefühlen dachte sie daran, dass Zita wie gewöhnlich bei der Anprobe helfen würde. Und jedes Wort, das hier gesprochen wurde, hatte nun einen ganz anderen Klang für sie. Ja, es stimmte, die Frauen sprachen in diesen vier Wänden sehr häufig über recht intime Dinge und nicht selten auch über Geld und Schmuck.
    Trotzdem mochte sie immer noch nicht glauben, dass es ausgerechnet Zita sein sollte, die all die kleinen Geheimnisse von Ruhrorts Reichen an die Diebe verraten hatte. Sie hatte sich in solch kurzer Zeit zu einer Stütze des Betriebes gemausert, ruhig, besonnen, handwerklich erstklassig – in vielem erinnerte sie Lina an sich selbst.
    Dass sie eine Hure gewesen war, hatte ihr Robert erzählt, aber sie hatte offensichtlich den festen Willen, all das hinter sich zu lassen und ihr Geld mit harter, ehrlicher Arbeit zu verdienen.
    Als die letzte Kundin den Laden verlassen hatte, traf Lina im Flur auf Emil. Er hatte sich ganz hinten bei der Hoftür auf einen Stuhl gekauert.
    «Was ist denn los, Junge?», fragte sie und bemerkte jetzt erst, wie niedergeschlagen er aussah.
    «Die Sache mit Carolinchen   … das ist so schrecklich. Und ich bin an allem schuld!», sagte er mit belegter Stimme.
    Lina schüttelte den Kopf und zog aus ihrer Rocktasche ein Spitzentaschentuch. «Was hast du denn damit zu tun?»
    «Na, der Brief!» Er schnäuzte sich, dass Lina Angst um ihr Taschentuch bekam. «Ich   … ich habe ihn unter Onkel Georgs Post gelegt.»
    «Wusstest du, was drin steht?»
    «Nein. Sie hat ihn mir in Duisburg gegeben. Warum tut sie so was?»
    «Emil, ich habe schon lange aufgegeben, darüber nachzudenken, warum deine Mutter tut, was sie tut. Wir waren einander mal ziemlich ähnlich, weißt du? Nicht nur äußerlich. Als Kinder haben wir sogar gewusst, was die andere denkt. Aber dann wurden wir getrennt, ich war so lange krank, danach auf Genesungsreise und in den vielen Kuren und orthopädischen Anstalten. Und sie hat euren Vater geheiratet. Da hatte ich schon das Gefühl, ich kenne sie nicht mehr.»
    Er sah sie an, und sie konnte die tiefe Verzweiflung spüren. «Ist sie ein schlechter Mensch, Tante Lina?»
    Lina war klar, wie weh ihm diese Erkenntnis tun musste. Er hatte seine Mutter die ganze Zeit in Schutz genommen vor all jenen, von denen er glaubte, dass sie ihr nur Übles nachsagten. Aber nun hatte sie etwas getan, das auch ihm wehtat. Es könnte die einzige Familie zerstören, die er in den letzten Jahren gekannt hatte – und was noch schlimmer war, es verletzte Carolinchen, die von

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