Das dunkle Netz der Lügen
zunächst einmal versteckt. Schließlich waren auch sperrige Gegenstände und Tafelsilber dabei. Ich werde mir das Fremdenregister vornehmen, und dann müssen wir viele Häuser durchsuchen.»
«Durchkämm meinetwegen die ganze Altstadt», sagte der Bürgermeister. «Schaff mir nur den Schmuck meiner Frau wieder her, sonst werde ich in der nächsten Zeit kein gemütliches Zuhause haben.»
Kramer, der vor einer halben Stunde losgegangen war, um sich den Tatort bei Stinnes genauer anzusehen, stand plötzlich wieder in der Tür. Er war ein bisschen blass um die Nase. «Es hat einen Mord gegeben», sagte er aufgeregt. «Sie sollten schnell mitkommen!»
Es hatte einen Moment gedauert, bis Robert dem aufgeregten Kramer Einzelheiten entlockt hatte. Dann aber beeilte er sich besonders. Das Hausmädchen hatte Elise von Sannberg blutüberströmt und von Messerstichen übersät auf ihrem Bett gefunden.
Als Robert im Haus auf der Harmoniestraße ankam, fand er dort Rose, den Hausdiener und Baron von Sannberg vor. Alle drei waren bleich, Rose hatte sich übergeben müssen, Cornelius wirkte, als sei er noch gar nicht richtig wach. Er hatte seinen Seidenschlafrock nicht zugebunden, darunter konnte man sehen, dass sein Nachthemd blutverschmiert war. «Als Rose mich endlich wach bekommen hat, habe ich nachgesehen, ob Elise vielleicht noch lebt.» Er deutete auf die Blutflecken.
Robert schüttelte dem Baron die Hand. «Cornelius, es tut mir so leid.»
«Ich kann es noch gar nicht fassen, Robert. Es ist einfach unbegreiflich. Wer tut so etwas Schreckliches?»
Robert legte seinem Freund die Hand auf die Schulter. «Wir werden die Täter finden, das schwöre ich dir. Aber dafür müssen wir schnell handeln. Bist du in der Lage, mir einige Fragen zu beantworten?»
Cornelius schaute zu Boden, nickte aber.
«Gut. Dann lass uns anfangen. Ihr habt den Ball noch vor Mitternacht verlassen. Was war geschehen?»
«Elise fühlte sich schon den ganzen Tag nicht wohl …»
Robert erinnerte sich daran, dass Elise ihn um ein Glas Wasser gebeten hatte. «Ich weiß. Auch auf dem Ball nicht.»
«Sie ist mir zuliebe so lange geblieben, denn schließlich wart ihr alle meine Gäste. Aber um halb zwölf wollte sie nur noch heim und in ihr Bett.»
«Und als ihr zu Hause wart, was ist da passiert?»
«Wir saßen noch einen Moment hier im Salon. Sie leistete mir Gesellschaft bei einem Glas Wein, dem Schlaftrunk sozusagen. Sie selbst trank nur Wasser, sonst werde ihr übel, sagte sie. Und ich hätte wohl besser auch nichts getrunken.»
«Warum?»
«Weil ich plötzlich sehr müde wurde. Ich hatte das Gefühl, ich schaffe es kaum noch die Treppe hinauf. Oben verabschiedete sie sich wie jeden Abend mit einem Kuss, dann ging sie in ihr Schlafzimmer und ich in meins. Ich habe mich zwar noch entkleidet und das Nachthemd übergestreift, aber erinnern kann ich mich daran nicht mehr. Ich hätte auf der Stelle im Stehen einschlafen können.» Cornelius barg das Gesicht in den Händen. «Wenn ich … wenn ich nicht so fest geschlafen hätte, Robert, vielleicht hätte ich etwas gehört und sie retten können.»
Robert legte ihm die Hand auf die Schulter. Erst nach längerem Schweigen sagte er leise: «Ich muss sie mir jetzt ansehen.»
Cornelius nickte. Er folgte Robert nach oben und zeigte ihm Elises Schlafzimmer, blieb aber in der Tür stehen. «Ich kann nicht», sagte er leise. «So viel Blut!»
Elise trug ein weißes Nachthemd aus feinen Spitzen, das völlig blutdurchtränkt war. Robert sah, dass es keine Messerspuren trug. Sie lag quer über dem Bett, mit gespreizten Beinen, das Nachthemd war hochgerutscht bis zu den Knien. Robert hob es an und zählte auf den ersten Blick zwölf Stiche. Er sah sich im Zimmer um. Elises Kleider lagen ordentlich über einem kleinen Sessel, es war anzunehmen, dass sie sich selbst entkleidet hatte.
«Ist schon festgestellt worden, ob etwas fehlt?», fragte er den Baron.
«Nein … denkst du, es waren Einbrecher?»
Robert nickte. «Heute Nacht ist noch in acht anderen Häusern eingebrochen worden. Gut möglich, dass diese Diebe deine Frau auf dem Gewissen haben.»
Widerwillig betrat der Baron das Zimmer. Ohne zum Bett zu sehen, ging er zu der prachtvollen Schmuckschatulle, die auf dem Frisiertisch stand. Hastig öffnete er jede einzelne der vielen Schubladen. «Alles weg!», sagte er.
Robert wandte sich an Kramer, der im Flur wartete. «Gehen Sie um das Haus und sehen Sie nach, ob man hier eingestiegen
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