Das Einhornmädchen Vom Anderen Stern
genau«, bestätigte Rafik gutgelaunt. »Was nun diesen Verkaufsabschlag betrifft…«
Kaum daß sie zwischen den blühenden Sträuchern des äußeren Gartens verborgen waren, schob Calum auch schon seinen mehrlagigen Schleier zurück und holte tief Luft. »Ich werde Rafik umbringen«, schwor er.
Gill kicherte. »Denk daran, kleine, damenhafte Schritte zu machen«, neckte er ihn. »Und laß den Schleier besser unten.
Selbst mit Rafiks Warnung, daß du so häßlich wie ein Mann bist, könnte Hafiz Verdacht schöpfen, wenn er sähe, daß du eine Rasur brauchst.«
»Ich hoffe nur, daß sie bald mit ihrem Geschachere fertig sind, damit wir aufs Schiff zurück können«, erwiderte Calum mißmutig, aber er stülpte den Schleier wieder über sein Gesicht. »Ich habe die Kostümierung satt.«
Acorna zupfte Gill am Ärmel und deutete auf das Gras, das rings um jeden der blauen Singenden Steine wuchs. »Was? Oh, sicher, Schatz, geh nur und knabbere, wenn du möchtest. Du bist ein braves Mädchen gewesen. Aber denk daran, deinen Kopf zu bedecken, wenn wir jemanden kommen hören. Die Singenden Steine müßten uns ausreichend Vorwarnung geben«, rechtfertigte sich Gill vor Calum.
»Mir hast du nicht erlaubt, den Schleier abzunehmen.«
»Eine Frage der Schicklichkeit«, gluckste Gill. »Du brauchst keine Zwischenmahlzeit. Acornas Metabolismus hingegen braucht mehr als gelegentlich mal eine Schüssel Sorbet, weißt du. Selbst falls Hafiz erwartet, daß wir zum Essen bleiben, wird das wahrscheinlich größtenteils aus Fleischgerichten bestehen, und die kann sie nicht essen.«
Acorna, die das Streitgespräch ignorierte, hatte sich in ihren wallenden Schleiern leise niedergekniet und die Gesichtsschleier nach hinten geschoben, damit sie beim Abzupfen der zarten Süßgräserspitzen etwas sehen konnte.
»Braves Mädchen, brav«, ermutigte Gill sie. »Rupf aber keine Löcher in den Rasen.«
»Ist ungezogen, Löcher ins Gras zu machen«, sagte Acorna.
»Ist ein Nein.«
»Ein sehr großes Nein, in jemand anderes Garten«, bestätigte Gill. »Aber das Zeug muß ohnehin gerade gemäht werden, so wie es aussieht, also wird es keinen Schaden anrichten, wenn du oben drei oder vier Zentimeter wegnimmst.«
Fünf Noten einer klagenden Tonleiter ertönten in rascher Folge. Acorna versuchte aufzuspringen, aber die duftigen Stofflagen, in die sie eingewickelt war, behinderten ihre Bewegungen, und sie wäre beinahe gestürzt, wenn Gill nicht ihre Hand ergriffen und sie durch schiere Kraft hochgezerrt hätte. Sie tastete immer noch nach ihrem Schleier, als Hafiz und Rafik in Sicht kamen.
Hafiz’ Augenbrauen schossen nach oben, und er trat rasch auf sie zu. »Bei den Ohrlocken des Dritten Propheten!« rief er aus. »Eine wahrhaftige Rarität! Rafik, geliebter Neffe, ich glaube, wir können zu einer beiderseitig einvernehmlichen Übereinkunft gelangen und uns auf eine erheblich niedrigere Provision einigen, als ich erwartet hatte.«
»Onkel«, entgegnete Rafik in mißbilligendem Tonfall, »ich bitte dich, beleidige nicht die Würde meiner Frauen und die Ehre meiner Familie.« Aber es war zu spät; Hafiz streichelte bereits das kurze Horn, das aus Acornas Stirn hervorsprang.
Sie stand ganz still, nur das Verengen ihrer Pupillen zeigte ihre Not und ihre Verwirrung.
»Du hast dich beschwert, daß diese hier zu jung wäre, um von irgendeinem Nutzen zu sein«, gab Hafiz zurück, ohne den Blick von Acorna abzuwenden. »Wie günstig, daß deine neuen Religionsfreunde an den alten Traditionen in Sachen Scheidung ebenso festhalten wie an der Polygamie und dem Hijab. Nichts ist einfacher als eine in aller Stille erfolgende Familienscheidung, was auf einen Schlag sowohl dich aus einer unerwünschten Verlegenheit befreit als auch mir den Erwerb einer neuen Rarität ermöglicht.«
»Undenkbar«, protestierte Rafik. »Ihre Familie hat sie mir anvertraut; sie ist meine heilige Verantwortung.«
»Dann werden sie ohne Zweifel begeistert sein, zu erfahren, daß sie hinfort das Heim eines derart vornehmen und gütigen Sammlers wie mir zieren wird«, insistierte Hafiz freudestrahlend. »Ich bin willens, es auf mich zu nehmen, sämtliche religiösen Auflagen deiner Sekte zu respektieren. Sie kann die Räume haben, die ich heute nacht für dich und deine Frauen bereitgestellt hatte; ich werde sie als ein allein ihr und ihrer Dienerschaft vorbehaltenes, von der Außenwelt abgeschiedenes Frauenquartier herrichten, so daß keinerlei neo-hadithianische
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