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Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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sich hinter eine halb vermoderte, von Flechten überwucherte Baumwurzel und hielt die Luft an – die sie jedoch kurz darauf erleichtert wieder ausstieß, als ein possierliches Eichhörnchen den Stamm einer Eiche hinaufhuschte. Wenn sie nicht bald zurück ins Freie fand, würde sich ihr Verstand vor lauter Furcht auflösen!
    Sie wollte gerade ihr Versteck verlassen, als ein tiefes, kehliges Lachen die Stille durchschnitt. Diesem folgte das Klirren von Metall, und wenig später tauchten drei vierschrötige, ganz in Blau gekleidete Gesellen auf, die ein mageres Pferd mit sich führten. Über dem Rücken dieses bemitleidenswerten Tieres lag eine tote Hirschkuh, deren Blut das gelbliche Fell des Kleppers befleckte. Mit jedem Schritt, den die Stute tat, schlugen die Metallringe des viel zu großen Zaumzeuges aneinander, und auch die schlampig befestigten Steigbügel hüpften auf und ab. Die Armbrüste, welche die Männer geschultert hatten, blitzten gefährlich in den Sonnenstrahlen, die mit einem Mal messerscharf wirkten.
    Brigitta schluckte, als die drei kein Dutzend Schritte von ihr entfernt haltmachten und sich misstrauisch umsahen.
    »Wir sollten sie zerlegen«, schlug einer von ihnen vor, dessen sonnengebräuntes Gesicht von einer großen Nase beherrscht wurde. »Dann schöpft bestimmt niemand Verdacht.« Die beiden anderen nickten nachdenklich und zogen zu Brigittas Schrecken an Ort und Stelle lange Messer aus ihren Gürteln.
    »Doch nicht hier!«, brauste der Mann auf, der den Vorschlag gemacht hatte, und tippte sich an die Stirn. »Seid ihr denn völlig verblödet?«
    Das größte Mitglied des Kleeblattes blähte die Brust, wie um sich mit dem anderen anzulegen, doch der Dritte trat hastig dazwischen und versetzte energisch: »Buri hat recht. Wir sollten zur Lone gehen.«
    Wenngleich Brigitta die vor Dreck starrenden, brutal wirkenden Kerle entsetzliche Angst einjagten, empfand sie einen freudigen Stich. Sollte es ein Wink des Schicksals sein, dass ausgerechnet jetzt diese drei Wilderer aufgetaucht waren?, fragte sie sich hoffnungsvoll und presste sich näher an die feuchte Rinde, als die Männer Anstalten machten, ihre Richtung einzuschlagen.
    So nah kamen sie an Brigittas Versteck vorbei, dass ihr der süßlich-metallische Blutgeruch der erlegten Hirschkuh in die Nase stach. Schaudernd vergrub sie wie ein Kind das Gesicht zwischen den Knien – in der Hoffnung, dass, wenn sie die Kerle nicht sah, diese sie ebenfalls nicht entdecken würden. Die Beklemmung, die sie dabei ergriff, verstärkte sich, als sie sich ausmalte, wie diese drei Wilddiebe auf einen Zeugen ihrer Missetat reagieren würden. Der Schweiß auf ihrer Stirn fühlte sich plötzlich kalt und klamm an. Da die Strafe für unerlaubtes Jagen der Galgen war, würden die Männer sicher keine Sekunde lang fackeln und sie kurzerhand genauso aufschlitzen wie sie es mit ihrer Beute vorhatten.
    Hin und her gerissen zwischen Furcht und der Hoffnung, endlich den Flusslauf zu finden, wartete sie, bis die Wilderer kaum mehr zu hören waren, bevor sie vorsichtig den Kopf hinter der Baumwurzel hervorschob. Bereits halb verschluckt vom Dämmerlicht des Waldes verschwanden die drei soeben in einer Bodensenke, und Brigitta las hastig ihre Siebensachen auf, um ihnen hinterherzuschleichen. Sorgsam darauf bedacht, kein verdächtiges Geräusch zu verursachen, suchte sie den Schutz der Baumstämme und näherte sich so den Wilderern bis auf Sichtweite.
    In ein hitziges Gespräch vertieft, blickten sich die Männer nicht ein einziges Mal um, folgten einem Erdwall, der aussah wie eine uralte Schanze, und tauchten schließlich in ein Stück Forst ein, das so bedrohlich wirkte, dass Brigitta sich niemals in diesen dunklen Schlund gewagt hätte. Da sie keine andere Wahl hatte, nahm sie all ihren Mut zusammen und duckte sich zwischen den tief hängenden Tannenzweigen hindurch – froh darüber, dass der von dürren Nadeln und Moos bedeckte Boden ihre Schritte dämpfte.
    Endlich, nahezu eine Stunde später, schienen die Räubergesellen ihr Ziel erreicht zu haben, da sie nicht nur ihr Tempo drosselten, sondern Brigitta auch der unverkennbare Geruch feuchter Erde in die Nase stieg. Als sie an eine Lichtung gelangte, in deren Mitte sich ein schmales, glitzerndes Band schlängelte, hätte sie um ein Haar vor Freude gejubelt. Sie hatte die Lone gefunden! Jetzt musste sie nur noch an den Männern vorbeikommen, dann würde sie sicherlich noch heute Bernstadt erreichen.
    Ins tiefe Gras

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