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Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Gräfin: Historischer Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Silvia Stolzenburg
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nur so blind sein, nicht zu erkennen, dass er selbst sich der Sünde schuldig macht, derer er dich bezichtigt hat.«
    Das war es also gewesen!, dachte Ortwin grimmig. Offenbar hatte Gerhard sein Geplänkel mit der Magd beobachtet und es Ulrich zugetragen. Die Genugtuung, die ihn bei dieser Erkenntnis durchströmte, war beinahe schmerzhaft.
    »Es tut mir leid.« Mit einem zerknirschten Ausdruck reichte der Meister seinem Gesellen die Hand und legte den Arm um dessen breite Schultern.

Kapitel 17

    Ulm, Mitte Juni 1368

    »Keine Diskussion. Du wirst tun, was man von dir verlangt!«
    Die Härte in der Stimme ihres Vaters ließ Brigitta einen weiteren Schritt vor ihm zurückweichen, während eine kalte Hand nach ihrem Herzen griff. Um ein Haar wäre sie über einen der in der Stube aufgestapelten Stoffballen gestolpert, die sie zu Beginn der Woche mit ihrer Mutter ausgesucht hatte. Nach dem grässlichen Ereignis des Sonntagabends war der Einkauf eine beinahe unwirkliche Rückkehr in den Alltag gewesen, die ihr dabei geholfen hatte, das wilde Durcheinander ihrer Empfindungen zu ordnen. Trotz der lähmenden Furcht, die ihr immer noch in den Gliedern saß, war ihr bei der eintönigen Anprobe der Gewänder und dem leiernden Gefeilsche der Tuchhändler eines unumstößlich klar geworden: Sie liebte Wulf – so heftig und bedingungslos, dass es ihr von Nacht zu Nacht schwerer fiel, Schlaf zu finden. Die Stärke des Gefühls, das sie nicht mehr losließ, seit sie sich an ihn geklammert und seine tröstende Wärme in sich aufgesogen hatte, nahm mit jedem Tag zu. Doch drohte die Neuigkeit, die ihr Vater ihr soeben unterbreitet hatte, ihr den Boden unter den Füßen wegzuziehen und sie in einen unendlich tiefen Abgrund zu stürzen.
    Schaudernd zog sie den Kopf ein und schlang die Arme um sich, während sie Hilfe suchend ihre Mutter ansah. Aber diese schüttelte lediglich resigniert den Kopf und beugte sich zurück über ihre Stickarbeit, als ginge sie die Szene zwischen ihrer Tochter und ihrem Gemahl nichts an.
    »Vater«, flehte die junge Frau erstickt und schluckte die bitteren Tränen. »Er hat versucht, sich an mir zu vergehen!« Entgegen aller Bemühungen wurde sie von einem Schluchzen überwältigt. Mit solcher Gewalt stieg die Erinnerung in ihr auf, dass sie weinend vor ihrem Vater auf die Knie fiel. Als geschehe es in diesem Moment, spürte sie die harten Schläge und die schwieligen Hände, die ihre Brust gierig begrapschten. »Tut mir das nicht an!«
    Doch anstatt empört aufzuspringen und nach dem Hintergrund dieser Anschuldigung zu fragen, schnaubte Ulrich von Ensingen lediglich verächtlich und wandte sich von seiner Tochter ab, die er mit einem Blick bedachte, als wäre sie Abfall.
    »Er hat mich vor deinen Lügen gewarnt«, knurrte er kalt und starrte aus dem Fenster. »Und die Androhung einer Entlassung hat einen gewissen Gunner dazu veranlasst, mir alles zu gestehen!« Seine Lippen kräuselten sich abfällig. »Eigentlich sollte ich dir die gleiche Tracht Prügel verabreichen«, knurrte er drohend und wandte sich wieder zu dem Häuflein Elend auf dem Boden um. »Aber Ortwin hat mir versichert, dass er dich dennoch als Braut akzeptiert!«
    Der eisige Unterton in seiner Stimme ließ Brigitta weiter in sich zusammensacken. Mit einer ausgreifenden Bewegung wies der Werkmeister auf all die Kostbarkeiten, welche den Platz in der Stube beengten. »Er hat nicht einmal eine höhere Mitgift für dich verlangt!« Mit diesen Worten trat er abrupt auf seine Tochter zu, packte sie hart bei den Oberarmen und zog sie auf die Beine. »Du solltest dem Herrn danken, dass ich einen so guten Ehemann für dich gefunden habe!«, zischte er und zwang sie mit einem Griff ans Kinn, ihn anzusehen. Wenngleich ein Tränenschleier ihre Sicht trübte, erkannte Brigitta den Zorn und das Gespenst der Schande, die in rascher Folge über die Züge ihres Vaters huschten. »Wage es nicht, ihn zu verleumden!«
    Die Ohrfeige ließ sie zur Seite taumeln. Bevor sie erschrocken aufschreien konnte, traf sie ein weiterer Hieb, der ihre Wange mit Feuer übergoss. »Er hat eine blendende Zukunft vor sich«, fuhr Ulrich etwas ruhiger fort und senkte die Hand, bevor er seine Tochter losließ und sich auf einen der Stühle fallen ließ. »Und zur Not werde ich dich bis zur Hochzeit in deiner Kammer einsperren!«
    Erschüttert, die Hand auf die brennende Stelle gepresst, starrte Brigitta auf den Boden und verwünschte den Tag, an dem sie geboren worden war. Was

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