Das Erbe der Halblinge: Roman (German Edition)
Arvan einen Gedanken. Auf diese Weise hat sich auch der erste Elbenstab verändert, als König Elbanador ihn nahm … Bilder tauchten vor Arvans innerem Auge auf. Bilder, die nicht seinen eigenen Gedanken und Vorstellungen entsprangen. Das fühlte der Ziehsohn der Halblinge sehr deutlich. Er sah einen Elbenkönig vor sich, der einen ähnlichen Stab in der einen und ein Schwert in der anderen trug. Elbanador in der Schlacht am Berg Tablanor …, erkannte er. Er zweifelte nicht den Bruchteil eines Augenaufschlags daran, den legendären Ersten Elbenkönig vor sich zu sehen. Er sah, wie Elbanador über ein Schlachtfeld lief, dessen steiniger Grund über und über mit Leichen bedeckt war. Es waren die Körper unterschiedlichster Kreaturen, die im Verlauf der Schlacht gegen Ghool ihr Leben gelassen hatten. Es waren kaum Einzelheiten all dieser Leiber zu erkennen. Elbanador ging über sie hinweg, hob den Elbenstab, und im nächsten Augenblick schoss ein Feuerstrahl von gleißender Helligkeit aus dem Stab heraus. Obwohl das alles nur in seiner Fantasie stattfand, schloss Arvan unwillkürlich die Augen, um nicht geblendet zu werden.
Woher kamen diese Eindrücke? War es der Elbenstab, der sie ihm sandte? Oder Lirandil, der ja schließlich das gesamte Wissen aus Elbanadors Buch in sich trug?
Der Blick des elbischen Fährtensuchers ruhte auf Arvan. Er beobachtete den jungen Mann aufmerksam, aber dieser hatte das bisher nicht bemerkt.
Werde ich es schaffen?, fragte Arvan in Gedanken.
Du solltest nicht daran zweifeln, lautete die Antwort, die Lirandil ihm mit seinen Gedanken übermittelte.
»W as soll ich jetzt mit dem Stab tun, Lirandil?«
»M achen sich irgendwelche unangenehmen Empfindungen bemerkbar?«, erkundigte sich der Fährtensucher.
Arvan schüttelte den Kopf. »J etzt nicht mehr.« Die Runen schimmerten inzwischen nicht mehr golden, sondern hatten ihre ursprüngliche schwarze Färbung angenommen.
»D ann steck ihn einfach ein.«
»I ch werde lernen müssen, damit umzugehen.«
»N ein, das ist nicht nötig«, widersprach Lirandil. »W enn es so weit ist und du Ghool gegenüberstehst, wirst du es wissen.«
»W ie Elbanador in der Schlacht am Berg Tablanor?«, fragte Arvan.
»J a. Du darfst den Elbenstab bis dahin nach Möglichkeit nicht einsetzen, auch wenn die Versuchung groß ist. Hast du mich verstanden?«
»J a, sicher«, gab Arvan stirnrunzelnd zurück. »A ber wenn uns jetzt die Schergen Ghools einholen und zu töten versuchen und nicht gerade ein Dunkelalb bei uns ist, der seine Kräfte rücksichtslos zu unseren Gunsten einsetzt…«
»… dann wirst du die Macht dieses Stabes nicht einsetzen«, schnitt Lirandil ihm das Wort ab. »D enn jedes Mal, wenn du das tust, wird es schwerer für dich werden, damit wieder aufzuhören. Die dunkle Macht des Elbenstabs wird dich schließlich vollkommen beherrschen, und du wirst glauben, nicht mehr ohne sie auszukommen.« Lirandil trat nahe an Arvan heran. Aber den Stab zu berühren wagte er nicht. »E lbanador hat den Vorgänger dieses Artefakts nicht umsonst vernichtet. Er wusste genau, was geschehen würde. Und er hatte die innere Stärke, zum Schluss das Richtige zu tun.«
»U nd was wäre geschehen, wenn er diese Stärke nicht gehabt hätte?«, fragte Arvan.
»D as weiß niemand«, sagte Lirandil. »V ielleicht…« Der Elb sprach nicht weiter. Auch wenn er sonst nicht dazu neigte, in seinen Gesichtszügen starke Regungen zu offenbaren, war der Ausdruck des Erschreckens in diesem Moment unübersehbar. Ein Erschrecken über die Erkenntnis, die er gerade gewonnen hatte. Seine Augen leuchteten bläulich auf, und Arvan wartete vergeblich darauf, dass er weitersprach.
Ihr wolltet noch etwas sagen, Lirandil, erinnerte Arvan ihn mit einem Gedanken, von dem er hoffte, dass er den Elb auch erreichte.
Lirandil blickte auf und sah Arvan einige Augenblicke stumm an. »E s bestand die Gefahr, dass Elbanador zu einem ähnlich dunklen Herrscher würde wie Ghool und gewissermaßen dessen Nachfolge angetreten hätte. Weil er diese Gefahr deutlich sah, hat Elbanador den Elbenstab vernichtet. Und das war auch der Grund dafür, dass er diesen Baum so sorgfältig verbarg.«
»A ber er hat den Baum selbst nicht vernichtet«, gab Whuon zu bedenken. »G ibt es dafür noch einen anderen Grund, als dass er dessen Kraft für den Fall einer sehr großen Bedrohung erhalten wollte?«
»I ch weiß es nicht«, murmelte Lirandil, und erneut leuchtete es in seinen Augen. »A ber es
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