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Das Erbe Der Nibelungen

Titel: Das Erbe Der Nibelungen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein , Torsten Dewi
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hechtete Sigfinn nach
rechts, und in der Bewegung, mit der er wieder auf die Füße kam, drehte er Nothung zur Seite, wo er Siegfrieds massigen Leib vermutete.
    Das Schwert der Götter schnitt die Haut der tobenden Bestie, und altes Fleisch klaffte schmatzend auf.
    Siegfried brüllte, und Sigfinn verabschiedete sich von dem Gedanken, in der brutalen Gestalt noch den Vorfahren zu sehen.
    »Blut, endlich Blut!«, schrie Hagen und ergötzte sich an dem Schauspiel. »Lass ihn die Klinge schmecken, die er einst selbst schmiedete!« Sigfinn hasste ihn. Er wollte Siegfried nur deshalb schnell besiegen, damit er Hagen den Garaus machen konnte. Es war eine Prüfung, die ihn zum Königsmord befähigen würde …
    Er hielt inne.
    Sein Herz widersprach dem Plan seines kochenden Blutes. Und war es nicht verdächtig, dass Hagen selbst ihn antrieb, Siegfried das Leben zu nehmen? Er zwang sich, trotz der Hektik des Kampfes, nachzudenken, sich das Geschehen nicht aufdrängen zu lassen. Die Klinge, die er einst selbst schmiedete …
    Tu, was dein Herz dir sagt …
    Nichts war richtig in dieser Welt, in dieser Zeit - vielleicht war es auch falsch, das augenscheinlich Richtige zu tun? Sigfinn überlegte fieberhaft, und farbige Schleier tanzten vor seinen Augen, während er gegen das kämpfte, was der Schwertarm von ihm verlangte.
    Er sah die Bestie an, die ebenfalls für einen Augenblick zu zögern schien, unsicher und wirr im Kopf.
    Siegfried war der Herr Nothungs und Schlächter des Drachen. So war es gewesen, so hatte es zu sein. Nur in diesem kranken Reich, geschaffen von Nibelungen und
Göttern in düsterem Pakt, war dem Schicksal verweigert worden, was ihm zustand.
    Es war ihm jetzt so klar, so selbstverständlich!
    Sigfinn atmete tief durch - und kniete auf dem Steinboden nieder. Er schloss die Augen und hielt Nothung vor sich, wie man es einem König präsentierte.
    »Nimm dein Schwert, edler Siegfried«, sagte er mit zitternder Stimme. »Für dich habe ich es aus dem Nibelungenwald geholt, um zu vollenden, was vollendet werden muss.«
    Die Mannbestie kam näher, knurrend und schnüffelnd. Sie schlug dreimal mit einer Pranke, die mal eine Hand gewesen war, nach dem Prinzen, ohne ihn jedoch zu treffen.
    »Töte ihn!«, schrie Hagen, und seine Stimme war schrill. »Egal wer, egal wen!«
    Nun legte Siegfried die Linke auf die Klinge und merkte nicht, wie sie seine hornigen Finger blutig schnitt. Dann griff seine Rechte nach Nothungs Heft - und schloss sich darum wie die Faust eines Kriegers!
    Doch statt im Triumph aufzuheulen und das Schwert zu den Göttern zu recken, sackte Siegfried zusammen, fiel vor seinem Nachfahren auf die Knie und ließ die Schultern hängen. Seine Augen, eben noch flackernd, fanden Ruhe und Erinnerung in Nothungs Glanz.
    Wo eben noch Tier war, erwachte jetzt wieder der Mann.
    Hagen sprang auf und rannte mit eiligen Schritten zum Balkon. »Fafnir!«, brüllte er, obwohl es nicht die Stimme war, die den Drachen zur Gefolgschaft brachte. »FAFNIR!« Derweil nahm Siegfried den Blick von der Klinge und sah Sigfinn an. Seine Stimme klang undeutlich, kratzend und von jahrelanger Raserei verlernt. »Mein … Sch… Schwert.«

    »Dein Schwert«, flüsterte Sigfinn, und er dankte den Göttern für die Ehre, mit dem größten Krieger aller Zeiten ein rechtes Wort wechseln zu dürfen.
    »Wa… wa… was ist mi… mit mir geschehen?«
    »Du wurdest von den Göttern missbraucht, und den Verstand nahmen sie dir, damit du es nicht merkst«, sagte Sigfinn.
    Hagen beobachtete die Szene vom Balkon, und sein schwarzes Herz geriet in eine Panik, wie er sie seit hundert Jahren nicht mehr verspürt hatte. Das Tier nicht mehr als Waffe unter seinem Befehl zu haben war schlimm genug - es bald gegen sich zu wissen, erfüllte ihn mit blankem Entsetzen.
    Mit dem Verstand kehrte die Wut in Siegfrieds Blick zurück - nicht die Wut eines tollwütigen Tieres, sondern die Wut eines Kriegers, der seinem Feind mit Tapferkeit und Ehre entgegentreten konnte. Jetzt schien er erstmals zu sehen, erstmals wieder zu erkennen, hinter wessen Thron er lange Jahre gekauert hatte, und sprach den Namen langsam und gedehnt aus: »Ha… gen.«
    Die Stunde der Abrechnung war gekommen.
    Doch so leicht wollte es der Herrscher von Burant seinen Feinden nicht machen, und mit dunkler Freude spürte er den Windstoß lederner Flügel. Hinter ihm jagte Fafnirs schwarzer Schatten auf Drachenfels zu, bereit, die Gegner des Tyrannen mit seinem Feueratem zu

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