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Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition)

Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition)

Titel: Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Juliet Hall
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waren relativ leicht umzusetzen. Der Entwurf der dreifachen Spirale gestaltete sich zunächst schwierig – sogar auf dem Papier –, doch sobald ich verstanden hatte, dass man zuerst zu sich selbst zurückfinden muss, ehe man vorwärtsgehen kann, war alles klar: Jede Spirale hat ihr eigenes Zentrum und ist gleichzeitig mit den beiden anderen verbunden. Dort, wo sie zusammentreffen, befindet sich das eigentliche Herz – das durch Lücken in den Hecken erreicht werden kann. Diese Lücken waren auf Catarinas Plan genau markiert. Man muss die Hecken regelmäßig schneiden lassen, damit die Durchgänge nicht zuwuchern. Die drei Spiralen schaffen außerdem drei natürliche Pfade. Einer führt zum Haus, einer zum Gartentor und zur Küstenstraße und einer zum Meer.«
    »Wie herrlich!«, hauchte Cari.
    »O ja, das ist es.«
    Aurelia und Stefano hatten den ganzen Frühling über gearbeitet und es Rosa, ihrer Haushaltshilfe aus dem Dorf, überlassen, sich um das Haus und die Küche zu kümmern. Das Anlegen des Labyrinths war eine Aufgabe, die sie völlig in Anspruch nahm. Auch Rosas Mann Carlo und ihr Sohn Roberto hatten angepackt, die ganze Familie, fasziniert von dem verrückten Gartenprojekt dieser exzentrischen Engländerin. Manchmal hatte sogar Enrico beim Graben geholfen. Aurelia beobachtete, wie er die Grabegabel in die verkrustete, von der Sonne ausgetrocknete Erde stieß, den schweren braunen Stiefel quer auf die Gabel setzte, die staubtrockene Erde aufbrach und den feuchten, krümeligen Humus darunter freilegte. Das Pflanzen jedoch überließ er Aurelia und Stefano. Eine braungebrannte Hand zum Abschied erhoben, trottete er zum Haus zurück, die Schultern gebeugt unter der Last der Erinnerungen.
    Dann regten sich in Aurelia Schuldgefühle. Nicht wie die Schuld, die sie immer mit sich herumtrug, die Schuld, die zum Jahr 1974 und zu England gehörte. Aber sie fragte sich: Habe ich das Richtige getan? Wäre ein leeres Stück Land, das viele Möglichkeiten in sich barg, für Enrico nicht leichter zu ertragen? Durfte ich den Traum einer anderen verwirklichen? Hatte ich überhaupt das Recht dazu, da doch die Liebe, die ich für Enrico empfinde, nur die Liebe zu einem Freund ist und ich mich ihm nie so werde öffnen können, wie er es verdienen würde?
    »Stefano war bestimmt begeistert.« Cari klang nachdenklich. Sie drückte Aurelias Arm.
    Aurelia wurde plötzlich bewusst, dass auch Cari ein Einzelkind gewesen war. Ein Einzelkind und einsam dazu.
    »Es war etwas, was uns verband«, erklärte sie. Ihr gemeinsames Projekt. Etwas, was sie mit Enricos Sohn teilen konnte. Auch wenn es ihm seine Mutter nicht zurückgeben konnte – nichts konnte das –, war es ein schöner Ort der Erinnerung an sie. Ein Ort, den er in stillen Augenblicken aufsuchen konnte, um der Mutter nahe zu sein, die er so früh verloren hatte.
    Aurelia hatte für Stefano getan, was sie konnte, und versucht, ihn für seinen Verlust zu entschädigen. Aber Stefano hatte auch ihr gutgetan. Hier durfte sie wieder die Mutterrolle übernehmen, die ihr so plötzlich versagt worden war. Dieser bittere Verlust hatte eine schmerzende Wunde hinterlassen und sie in einen Strudel tiefer Schuldgefühle gestürzt. Die Beziehung zu Stefano war ihr wie eine zweite Chance vorgekommen. Diese Art des Mutterseins – Büsche zu pflanzen, im Park spazieren zu gehen, im warmen Golf zu baden – war etwas anderes. Keine Verantwortung, keine Forderungen, niemand, der etwas von ihr erwartete. Es war bei weitem leichter und natürlich nicht dasselbe. Was hätte je dasselbe sein können?
    Aurelia nahm Caris Arm und führte sie in einen anderen Pfad. »A sinistra« , murmelte sie. »Nach links. Rechts ist eine Sackgasse.«
    Schließlich gelangten sie zu dem Punkt, an dem sich die drei Spiralen trafen. »Da sind wir.«
    »Ah, der kleine blaue Fleck!« Aurelia merkte, wie entzückt Cari von dem Teich mit der gelben Seerose und den darin umherflitzenden Fischen war.
    »Was sollen wir in die Mitte setzen?«, hatte Stefano gefragt.
    Aurelia fuhr ihm zärtlich durchs Haar. Für jede Spirale hatte Catarina einen Baum vorgesehen – einen Olivenbaum. Aber für das eigentliche Herz … Aurelia nahm die Pläne noch einmal genauer unter die Lupe. Sie hatte das Gefühl, Catarinas Handschrift so gut wie ihre eigene zu kennen. Doch in diesem Fall war Catarinas Absicht unklar. Da war nur ein Fleck aus Blau, Gold und Grau eingezeichnet. »Ich habe keine Ahnung«, musste sie zugeben.
    Stefano

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