Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition)
Cari zu bedenken. Giorgio Timpone hätte doch sicher gewusst, welches Stück echt war?
»Oder …«
»Antonio hat die Kopie anfertigen lassen«, schlug Stefano vor.
»Aber warum hätte er das tun sollen?« Das ergab für Cari keinen Sinn.
»Ja, warum? Überlegen wir doch mal!«
Marco scheint die Antwort bereits zu kennen, dachte Cari. Er spielt nur mit uns! Er wartet darauf, dass Stefano mit etwas herausrückt! Was hat er bloß sagen wollen, als er meinte, es werde Zeit?
»Seine Tochter sollte die Triskele bekommen«, sagte Stefano nachdenklich. »Anhand des Geburtsdatums konnte er ganz leicht herausfinden, dass sie seine Tochter sein musste – und anhand des Namens, den Mary für sie ausgesucht hatte. Aurelia, der Name seines Heimatdorfes. Sie sollte den Glücksbringer bekommen, weil er seit Generationen über die weibliche Linie weitergegeben wird.«
»Und doch …«, nahm Cari, die langsam Spaß an der Sache bekam, den Faden wieder auf, »… hatte er eigentlich kein Recht, ihn weiterzugeben. Erstens hatte er ihn gestohlen. Und zweitens …«
»War er ein Mann«, sagte Stefano mit einem angedeuteten Lächeln. »Und wenn es nach der Tradition gegangen wäre, hätte ihm der Talisman überhaupt nie gehören dürfen.«
»Genau.« Jetzt war Cari alles klar. »Vielleicht hat er Hester eine Kopie für Aurelia gegeben. Er wusste: Sie würde nie als seine Tochter anerkannt werden, weil Hugh offiziell als ihr Vater galt und sie nie ihre wahre Abstammung erfahren würde. Und das würde bedeuten …«
»… dass die Bernsteintriskele für die Familie Bianchi auf immer verloren wäre«, beendete Stefano den Satz.
Triumphierend sahen sich Cari und Stefano an. Es war so offensichtlich! Die Band spielte ungerührt weiter. Die Musik wurde lauter, der Tanz wilder. Die Italiener legten los.
»Es gab jedoch noch andere Frauen in der Familie Bianchi«, überlegte sie. »Seine Schwester Elena …«
»Und meine Mutter Catarina«, fügte Stefano hinzu. Seine dunklen Augen glänzten, als hätte er gerade eine Erleuchtung gehabt.
»Giorgio würde natürlich Himmel und Hölle in Bewegung setzen, um die Triskele zurückzubekommen«, spann Cari die Geschichte weiter. »Schließlich hatte sie seiner Tochter Sara gehört. Und er konnte damit rechnen, dass Antonio sie einer seiner Schwestern aushändigen würde. Also …«
»Also konnte Antonio sie keiner von ihnen offen übergeben«, warf Stefano ein. »Er musste sehr vorsichtig sein.«
Marco nickte zustimmend. »Richtig.«
»Er hat sie Catarina gegeben«, meinte Stefano, »der Schwester, die ihm an nächsten stand. Sie musste schwören, das Geheimnis zu bewahren. Und sie durfte den Anhänger nie in der Öffentlichkeit tragen.« Er hielt inne, als spielte er die Szene im Kopf durch. »Und meine Mutter …«
»… hat ihn versteckt«, schloss Cari.
»Genau«, sagte Marco gedehnt. »Ich bin ganz sicher, dass es so war.«
»Aber wo …?« Cari sah Stefano an.
Doch er hatte sich schon abgewandt und lief den sandigen Pfad entlang, der ins Herz des Labyrinths führte.
»Ich glaube, er weiß es.« Marco nickte.
Es sah ganz danach aus. »Wann hast du dir das alles zusammengereimt?«, fragte Cari und leerte ihr Glas. Der Prosecco war warm geworden und schmeckte schal.
»Gestern Nacht.« Er hob sein Jackett wieder auf. »Es entbehrt nicht einer gewissen Ironie, dass eine Kopie des Bernsteinanhängers ausgereicht hat, um dich und deine Großmutter nach Ligurien zu führen, nicht wahr?«
»Hmm.«
»Oder hat dich etwas anderes hierher gelockt?«, murmelte er. »Oder jemand anders?«
»Vielleicht.« Cari war hin- und hergerissen. Sie spähte den Pfad hinunter, aber Stefano war bereits hinter den Jasmin- und Oleanderbüschen verschwunden.
»Möchtest du ihm folgen, mein Liebling?« Er lachte leise. »Oder möchtest du hierbleiben und …?« Seine Hand liebkoste ihren Nacken. Er zog sie nur auf, das war ihr klar.
Sie neigte den Kopf nach hinten und spürte plötzlich seine Lippen auf ihrem Hals, warm und feucht. Die Spitze seiner Zunge erforschte die Kuhle über ihrem Schlüsselbein.
Nicht gut. Und doch gab sich Cari ganz dieser Empfindung hin. Der laute Applaus nach einem weiteren Lied brachte sie unsanft in die Realität zurück. Sie schob ihn fort. »Bist du verrückt? Natürlich gehe ich ihm nach. Und du auch. Es gibt kein Zurück. Du musst es zu Ende bringen.«
»Stimmt das?« Ein Lächeln umspielte seine Lippen, als er ihr die Hand entgegenstreckte.
Hand in Hand folgten
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