Das Erbe der Töchter: Roman (German Edition)
sie Stefano, fort von der Musik und tief hinein in das betörend duftende Labyrinth.
K
apitel 46
Aurelia und Enrico saßen in zärtlicher Umarmung auf der Bank aus Olivenholz im giardino secreto , wie Enrico immer sagte, im geheimen Garten. Neben ihnen auf dem Boden standen eine Flasche Prosecco und zwei Gläser. Plötzlich tauchte Stefano auf.
»Madonna!« , fluchte Enrico laut. »Hat man denn nirgends seine Ruhe?«
»Entschuldige, Vater!«
Aurelia richtete sich auf. Was war los? Stefano wirkte ziemlich aufgelöst und war gewiss nicht auf der Suche nach einem ruhigen Plätzchen. Er wedelte mit einem Stück Papier. Dem Stück Papier.
»Er war eine Kopie. Natürlich! Es ist genau, wie er gesagt hat.« Er redete schnell und gestikulierte dabei wild mit den Händen. »Ich habe immer gewusst, dass da etwas dahinterstecken musste. Dass es etwas bedeutet hat. Und jetzt ist es klar.«
»Also mir ist leider überhaupt nichts klar.« Enrico schenkte Prosecco nach und reichte Aurelia das Glas.
»Was war eine Kopie?«, fragte Aurelia.
»Der Bernsteinanhänger.« In rasantem Italienisch sprudelte Stefano eine Erklärung hervor.
Aurelia war bestürzt. Gerade erst hatte sie die Bedeutung dieses Erbstücks entdeckt, schon folgte die Enttäuschung. Was sollte man davon halten? »Du glaubst also, Catarinas Rätsel verrät uns, wo die echte Bernsteintriskele versteckt ist?«
» Sì . Das glaube ich.« Stefano konnte nicht still stehen und fuhr sich mit einer Hand nervös durch das Haar. So hatte sie ihn noch nie erlebt.
»Nun red schon, Stefano!« Caris italienischer Freund und Cari selbst tauchten hinter den Oleanderbüschen auf. »Worauf wartest du noch?«
Stefano zögerte.
Enrico blickte von einem zum anderen. Dann erhob er sich.
Als Aurelia ihn ansah, erfasste sie eine Welle von Zärtlichkeit.
»Marco Timpone, nehme ich an?« Enrico streckte die Hand aus.
Marco zögerte nur kurz. Dann trat er näher und ergriff Enricos Hand. »Sì.«
»Freut mich, Sie endlich kennenzulernen«, bemerkte Enrico trocken. »Wenn auch unter eher ungewöhnlichen Umständen.« Er deutete auf Aurelia. »Dies ist Aurelia, Caris Großmutter.«
Aurelia stand auf, um die drei obligatorischen Wangenküsse entgegenzunehmen. Ein wirklich gut aussehender Bursche. Sie konnte verstehen, dass er Cari gefiel.
Cari ging zu ihr und umarmte sie. Zwischen den beiden ist irgendetwas geschehen, dachte Aurelia.
»Obwohl Sie natürlich meinem Haus schon früher einen Besuch abgestattet haben«, sagte Enrico zu Marco. »Damit liege ich doch richtig?«
Marcos sonnengebräunte Haut überzog sich mit einer zarten Röte.
»Nein, Schatz, sicher nicht«, wandte Aurelia ein. Daran hätte sie sich doch bestimmt erinnert. Sie hatte ihn schließlich oft genug eingeladen.
Enrico hob fragend eine Augenbraue.
»Ich fürchte, Enrico hat Recht.« Marco deutete eine entschuldigende Verbeugung an.
Wie charmant!, dachte Aurelia. Aber warum »ich fürchte«?
»Wissen Sie, damals war ich auf der Suche nach der Triskele. Ich hoffe, ich habe Ihnen keinen allzu großen Schrecken eingejagt.«
»Ach.« Aurelia erinnerte sich an den Abend vor ungefähr einem Jahr, an dem sie bei Elena zum Essen eingeladen gewesen waren. Kurz bevor Enrico sie von der Terrassentür aus ins Haus gerufen hatte, hatte sie im Labyrinth eine schattenhafte Gestalt zu sehen geglaubt. Und bei ihrer Rückkehr hatten sie entdeckt, dass jemand in La Sirena eingebrochen hatte. »Sie waren also der Eindringling.«
»Sì.« Er starrte unverwandt in den Teich.
Als Aurelia seinem Blick folgte, schoss ein schwarz-orange gemusterter Goldfisch aus der Deckung hervor und schwamm auf die gegenüberliegende Seite. Insekten tanzten über der glatten Wasseroberfläche, und die Seerose hatte sich in der Sonne geöffnet.
»Du bist in die Villa eingebrochen?« Cari machte große Augen.
Aurelia hatte den Eindruck, dass die beiden gerade erst anfingen, sich richtig kennenzulernen.
»Natürlich habe ich nichts gestohlen.« Marco wirkte gekränkt.
»Ach so, na, dann ist ja alles in bester Ordnung.« Die Hände in die Hüften gestemmt, funkelte Cari ihn an.
Sie besaß wahrlich genug inneres Feuer. Aurelia lächelte. Sie würde sich ihm schon widersetzen, es ihm mit gleicher Münze heimzahlen.
»Ich kann mich gar nicht genug entschuldigen.« Erneut verneigte er sich vor Aurelia.
»Mich gar nicht genug entschuldigen?« Cari bedachte ihn mit einem argwöhnischen Blick.
Oh, ja, den beiden standen sicher noch einige
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