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Das Erbe des Vaters

Das Erbe des Vaters

Titel: Das Erbe des Vaters Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Judith Lennox
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sperrte. Sie war dabei, ein neues Leben zu beginnen, an einem neuen Ort, mit einer neuen Arbeit. Sie würde sich von der Vergangenheit nicht behindern lassen. Sie war Romy Cole, und sie war dabei, einen Neuanfang zu machen. Es würde alles anders werden, besser.
    Am Morgen erwachte Evelyn mit einem Optimismus, der ihr den Mut gab, Mrs. Vellacott gegenüberzutreten. Nachdem sie die Hunde ausgeführt und gefrühstückt hatte, ging sie in die Küche. Zigarettenrauch hing in Wolken in der Luft, Spülstein und Tisch standen voll mit ungespültem Geschirr. Evelyn ließ ein kleines Hüsteln vernehmen, und Mrs. Vellacott blickte von ihrer Zeitung auf.
    »Sie denken daran, daß wir heute abend Gäste haben, Mrs. Vellacott?«
    Mrs. Vellacott erhob sich schwerfällig und sichtlich unmutig von ihrem Stuhl. Sie hatte eine unglaubliche Figur. Ihre Körpermassen breiteten sich von der Taille abwärts nach allen Seiten aus, es sah aus, als trüge sie eine Krinoline.
    »Natürlich, Mrs. Daubeny.«
    »Wir werden acht Personen sein. Ich würde gern das Menü mit Ihnen besprechen.« Evelyn lächelte aufmunternd. »Der Metzger hat ja das Rindfleisch schon geliefert, nicht wahr, und die Pilze für die Suppe kommen im Laufe des Vormittags. Ich finden, wir sollten statt Apfelküchlein lieber einen Obstsalat mit Schlagsahne machen – das liegt nicht so schwer im Magen, meinen Sie nicht auch?«
    »Natürlich, Mrs. Daubeny.«
    Wider Willen fasziniert starrte Evelyn einen Moment die Warze über Mrs. Vellacotts Augenlid an. Dann sah sie hastig weg und bemühte sich, die nächste Frage möglichst taktvoll zu formulieren.
    »Nach welcher Methode wollen Sie denn das Rind zubereiten, Mrs. Vellacott?« Die Frau sah sie verständnislos an, und sie fügte hilfsbereit hinzu: »Arbeiten Sie vielleicht nach Mrs. Beeton oder einem der französischen Köche …?«
    »Ich schieb’s einfach ins Rohr, Mrs. Daubeny.«
    Natürlich, darum ist es zäh wie Leder, dachte Evelyn. Sie hatte Mrs. Beeton mitgebracht und legte das Buch auf den Tisch. »Vielleicht können Sie sich da ein paar Anregungen holen.«
    »Rind ist Rind. Ich halt nichts von der sogenannten feinen Küche.«
    Evelyn hörte die Geringschätzung in Mrs. Vellacotts Ton. »Trotzdem möchte ich, daß Sie es versuchen.« Sie sah sich in der unaufgeräumten Küche mit dem schmutzigen Fußboden um und sagte großzügig: »Soll ich Mrs. Arnold bitten, Ihnen heute morgen ein bißchen zu helfen? Es scheint ja hier recht viel zu tun zu sein.«
    Mrs. Vellacott dankte ihr nicht einmal. Sie stand nur mit verdrossener Miene da und wartete offensichtlich darauf, daß sie endlich gehen würde. Das ärgerte Evelyn. Die Frau benahm sich ja, als täte sie Evelyn einen Gefallen und nicht umgekehrt. Absurd.
    Mit einer für sie uncharakteristischen Bestimmtheit sagte sie: »Und es wäre mir lieber, Sie würden in der Küche nicht rauchen, Mrs. Vellacott. Es ist unhygienisch.«
    Als sie die Küche verließ, war ihr klar – wie im Grunde schon seit Wochen –, daß Mrs. Vellacott gehen mußte. Sie hatte die Entscheidung nur vor sich hergeschoben, weil ihr so sehr davor graute, der Frau mitzuteilen, daß sie entlassen war. Was natürlich von ihrer Schwäche zeugte. Osborne hätte keinen Augenblick gezögert und Celia genausowenig. Sie hätte Osborne bitten können, ihr die Sache abzunehmen, aber das wollte sie auch nicht. Sie war zweiundvierzig Jahre alt, Herrgott noch mal! Alt genug, um selbst mit den Dienstboten fertig zu werden.
    Aber noch jung genug, um ein Kind zur Welt zu bringen. Nicht einmal Mrs. Vellacotts kaum verhohlene Verachtung hatte Evelyns jubelndes Glücksgefühl dämpfen können. Ihre Periode war drei Tage verspätet; das war seit Ewigkeiten nicht mehr vorgekommen. Sie war nie fünf Tage zu spät daran gewesen, ohne schwanger zu sein. Also nur noch zwei Tage, und sie konnte so gut wie sicher sein. Es gab Frauen genug, die noch in höherem Alter Kinder bekamen. Brenda Lamb, eine gleichaltrige Freundin von Evelyn, hatte erst vor sechs Monaten eine kleine Tochter bekommen. Die Frau eines von Osbornes Pächtern hatte kürzlich im Alter von vierundvierzig Jahren Zwillinge geboren. Und Evelyns Mutter war siebenunddreißig gewesen, als ihr einziges Kind zur Welt gekommen war – gut, sie war fünf Jahre jünger gewesen als Evelyn heute, aber das war ja nicht das Entscheidende. Das Entscheidende war, daß ihre Mutter nicht mehr blutjung gewesen war, als sie ihr erstes und einziges Kind geboren

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