Das Erbe in den Highlands
ein Wunder irgendwo anders hindeutet als zum Himmel, während er in einer schmachvollen Staubwolke auf dem Rücken liegt.«
Royce schnaubte. »Willst du mich jetzt oder später dafür entlohnen, dass ich dich nicht vor deiner Lady demütige?«
»Hauptmann«, warnte ihn Kendrick, »du begibst dich da auf einen gefährlichen Pfad.«
»Ist das Furcht, die ich da in deiner Stimme höre, Seakirk?«
Genevieve lachte erst, als sie sich weit genug von ihnen entfernt hatte. Der ganze Platz des Innenhofs reichte für die
Überheblichkeit dieser beiden nicht aus. Sie ging über den Turnierplatz, wobei sie sich klarzumachen versuchte, dass es eigentlich der Garten war. Auf der Bank lagen zwei Decken für sie bereit. Sie wickelte sich ein und ließ sich nieder, um einem Schauspiel beizuwohnen, das sie nur aus Büchern kannte.
Ein langes Holzgeländer zog sich von einem Ende des Turnierplatzes bis zum anderen. Kendrick ritt zum rechten Ende und wendete sein Pferd, die Lanze in der Hand. Royce startete am linken Ende. Er klappte sein Visier mit der Lanze zu, und sein Pferd bäumte sich auf. Auch Kendrick klappte sein Visier zu, dann galoppierten ihre Pferde los. Genevieve spürte den Boden unter ihren Füßen erzittern und hörte das Donnern der Hufe, als Kendrick und sein Hauptmann zu beiden Seiten des Geländers aufeinander zupreschten. Mit gewaltigem Klirren prallten sie aufeinander. Royce wankte, blieb aber im Sattel.
Kendrick wendete sein Pferd, und sie galoppierten wieder am Geländer entlang. Diesmal splitterte Royce’ Lanze, sein Schild wurde ihm aus der Hand geschleudert, und er hielt sich nur noch mit knapper Mühe im Sattel. Kendrick blieb unerschüttert. Genevieve hatte sich schon gedacht, dass er gut war, doch jetzt hatte sie den sichtbaren Beweis. Kein Wunder, dass er mit Turnieren so viel Geld gemacht hatte. Sie konnte sich gut vorstellen, wie er Ritter um Ritter besiegt, sie dann alle zusammengetrieben und Lösegeld für sie gefordert hatte.
Nach dem dritten Durchgang lag Royce im Staub. Kendrick machte sich nicht die Mühe, ihm aufzuhelfen, wohl weil plötzlich eine lange Reihe von Herausforderern aufgetaucht war. Royce wuchtete sich hoch, schleppte sich über den Platz und sank neben Genevieve auf die Bank.
»Er ist schon ein arroganter Hurensohn, nicht wahr?«
»Gegen Selbstbezichtigung gibt es ein Gesetz, wissen Sie«, sagte sie mit einem Lächeln.
Royce grinste. »Ah, hier spricht wahre Liebe, ’s ist gewiss der Grund, wieso Ihr seine üblen Launen ertragt. Ich wäre dessen bestimmt nicht fähig.«
Sie erkannte die Lüge auf Anhieb. »Kennen Sie ihn schon lange?«
»Wir waren zusammen Schildknappen, dann zogen wir gemeinsam in den Krieg. Und wir haben die letzten Jahrhunderte diesen Anschein von Leben geteilt. Aye, ich kenne ihn schon lange. Aber wie ich ihn so lange ertragen konnte, ist mir immer noch ein Rätsel.«
»Sie sind ihm sehr zugetan, nicht wahr?«
Royce räusperte sich. »Zugetan? Nay, Mylady. Ich ertrage ihn, mehr nicht.«
»Ritter sollen nicht lügen.«
»Oh, dann muss ich wohl die Wahrheit sagen, doch ich bitte Euch, verratet es ihm nicht, sonst wird er mich damit aufziehen.« Royce wartete auf ihr Nicken, bevor er fortfuhr. »Ich hatte daheim nur Schwestern, und als ich Kendrick fand, war es, als hätte der Herrgott ihn für mich aufgehoben, einfach um mein Bruder zu sein. Seine Familie war zu meiner Zeit sehr wohlhabend und einflussreich, doch Kendrick gab mir nie das Gefühl, ich würde von einem Vater abstammen, der weniger bedeutend war als der seine. Auch als wir zusammen Knappen waren, behandelte er mich wie seinesgleichen, was man von den anderen Jungen nicht sagen konnte. Als wir uns die Sporen verdient hatten, erbot ich mich, sein Hauptmann zu werden, und habe es nie bereut. Brüder waren wir und die besten Freunde. In den letzten siebenhundert Jahren war es mein größter Kummer, nicht mehr Zeit mit ihm verbringen zu können. Nicht einmal diesen Trost hat Matilda uns gegönnt.«
»Und es macht Ihnen nichts aus, dass ich mich dazwischen gedrängt habe?«, fragte sie.
»Selbstverständlich nicht«, erwiderte Royce grinsend. »Ihr habt dem Naturell meines Herren sehr gut getan. Meine einzige Bitte ist, haltet Ausschau nach einer Maid für mich, aber lasst sie so schön sein wie Ihr und mit genauso viel Temperament. Ich bin mächtig eifersüchtig auf Kendricks Glück.«
Genevieve rutschte nervös hin und her und blickte wieder zum Turnierplatz. Komplimente von
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