Das erste Gesetz der Magie - 1
eine halbe Stunde lang hatte er ihrer Streiterei am Feuer gelauscht, jetzt war er es leid. Genaugenommen war er einfach nur müde. Das Abendessen war längst erledigt, und sie sollten etwas schlafen, statt dessen versuchten sie zu entscheiden, was sie morgen tun sollten, wenn sie Tamarang erreicht hatten. Jetzt hörten sie endlich mit der Streiterei auf und legten ihm ihre Standpunkte dar.
»Ich schlage vor, wir spazieren einfach rein, und ich kümmere mich um Giller. Er ist mein Schüler. Ich werde ihn dazu bringen, mir zu verraten, was gespielt wird. Ich bin immer noch Zauberer der ersten Ordnung. Er wird tun, was ich sage, und mir das Kästchen geben.«
Kahlan holte ihr Konfessorenkleid aus dem Rucksack. »Wir werden Giller hiermit beikommen. Er ist mein Zauberer und wird tun, was ich sage, denn er kennt die Konsequenzen.«
Richard atmete tief durch und rieb sich die Augen. »Ihr wollt beide ein Huhn verspeisen, das wir noch nicht einmal gerupft haben. Wir wissen noch nicht einmal, wem es gehört.«
»Was soll das heißen?« fragte Kahlan.
Richard beugte sich vor. Wenigstens hörten sie ihm endlich zu. »Selbst im allergünstigsten Fall wird Tamarang D’Hara wohlwollend gesonnen sein. Im schlimmsten Fall ist Rahl selbst dort. Vermutlich liegt die Wahrheit irgendwo dazwischen. Vielleicht haben sie etwas dagegen, wenn wir einfach hereinspazieren und sagen, was wir wollen. Tamarang verfügt über ein komplettes stehendes Heer, um uns klarzumachen, wie sehr sie etwas dagegen haben. Was dann? Sollen wir uns zu dritt auf eine Auseinandersetzung mit ihrer Armee einlassen? Wie kommen wir auf diese Weise an das Kästchen? Wie sollen wir auf diese Weise auch nur an Giller herankommen? Wenn wir kämpfen müssen, dann besser auf dem Weg nach draußen und nicht schon auf dem Weg nach drinnen.«
Richard erwartete einen Einwand von den beiden, die dasaßen, als müßten sie eine Standpauke über sich ergehen lassen, doch niemand sagte etwas, also fuhr er fort.
»Vielleicht wartet Giller sogar darauf, daß jemand kommt, dem er helfen kann, mit dem Kästchen zu fliehen. Andererseits ist er vielleicht gar nicht bereit, sich so ohne weiteres davon zu trennen. Aber das wissen wir erst, wenn wir bis zu ihm vorgedrungen sind, oder?« Er wandte sich an Zedd. »Du hast gesagt, das Kästchen besäße eine Zauberkraft, die ein Zauberer oder Rahl spüren kann. Andererseits kann ein Zauberer dies durch ein magisches Netz vereiteln und so verhindern, daß das Kästchen entdeckt wird. Vielleicht hat Königin Milena deswegen einen Zauberer haben wollen, damit sie das Kästchen vor Rahl verbergen und als Tauschobjekt benutzen kann. Wenn wir große Verwirrung stiften und Giller Angst einjagen können – egal, wie er über uns denkt, Angst hat er vielleicht trotzdem –, könnten wir diese Gelegenheit zur Flucht nutzen. Vielleicht wartet Rahl ja auch nur darauf, daß das Wild aus seinem Versteck gescheucht wird, damit er zuschlagen kann.«
Zedd wandte sich an Kahlan. »Ich denke, der Sucher hat in einigen Punkten durchaus recht. Vielleicht sollten wir ihn ausreden lassen?«
Kahlan lächelte schwach. »Ich glaube, du hast recht, guter Zauberer.« An Richard gewandt, fragte sie: »Wie lautet dein Vorschlag?«
»Du hattest schon mit dieser Königin Milena zu tun, richtig? Was ist sie für ein Mensch?«
Kahlan brauchte nicht lange nachzudenken. »Tamarang ist ein kleines und recht unbedeutendes Land. Königin Milena dagegen ist so prunksüchtig und überheblich, wie eine Königin nur sein kann.«
»Nur eine kleine Schlange, die jedoch zur tödlichen Gefahr für uns werden kann«, merkte Richard an.
Kahlan nickte. »Aber mit einem großen Kopf.«
»Kleine Schlangen müssen vorsichtig sein, solange sie nicht wissen, mit wem sie es zu tun haben. Als erstes müssen wir sie beunruhigen. Vielleicht ist sie dann so verunsichert, daß sie vergißt, uns zu beißen.«
»Wie meinst du das?« wollte Kahlan wissen.
»Du sagst, du hättest schon mit ihr zu tun gehabt. Konfessoren bereisen die Länder, um Beichten abzunehmen, Gefängnisse zu inspizieren, um alles mögliche herauszufinden. Sie würde doch die Grenzen nicht für einen Konfessor schließen, oder?«
»Nicht, solange sie noch halb bei Verstand ist«, gluckste Zedd.
»Gut, dann werden wir es so machen. Zieh dir dein Kleid an und tue deine Pflicht. Was man eben von einem Konfessor erwartet. Es gefällt ihr vielleicht nicht, aber sie wird dich gut behandeln wollen und dafür sorgen, daß
Weitere Kostenlose Bücher