Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Festmahl des John Saturnall

Das Festmahl des John Saturnall

Titel: Das Festmahl des John Saturnall Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Lawrence Norfolk
Vom Netzwerk:
begegneten sich ihre Blicke. Dann senkte Cassie den Kopf.
    »Ich sage: Wer wagt die Hand gegen meinen Pastor zu erheben?«, wiederholte Marpot.
    Er machte eine Armbewegung, und John sah die Milizionäre ihre Musketen erheben und auf die Männer und Frauen des Haushalts richten. Ein untersetzter Mann mit buschigem schwarzen Bart richtete die Mündung seiner Büchse auf Johns Bauch.
    Er selbst hatte sie hergerufen, das wusste er. In dem Augenblick, als er den ersten Schlag gegen Clough geführt hatte. In dem Augenblick, in dem er Clough von Lucretia weggerissen hatte. Er hatte Marpot und seine Männer über Buckland gebracht. Mit einem Gefühl der Übelkeit hob er den Arm.
    »Das war meine Hand.«
    Marpots blaue Augen blickten herab. Falls er John erkannte, ließ er es sich nicht anmerken. John blickte zu dem Mann hinauf, der die Dörfler angeführt hatte, der sie gegen ihn und gegen seine Mutter aufgehetzt hatte, und Furcht und Zorn kämpften in seinem Inneren, als seine Erinnerung mit der Erwartung des Kommenden rang. Doch dann erklang eine zweite Stimme.
    »Meine Hand auch.«

    John blickte sich erstaunt um. Hinter ihm hatte Simeon Parfitt den Arm erhoben.
    »Simeon!«, zischte John mit einer zornigen Handbewegung. Doch Simeon stieß Hesekey an, der neben ihm stand. Langsam hob auch Hesekey die Hand. Dann folgte Adam Lockyer, dann Philip. John sah, wie immer mehr Arme erhoben wurden, bis sogar Pandar und Barney Curle mit erhobener Hand dastanden. Er stand inmitten eines Walds aus Armen, der ihn wie eine Palisade umschloss. Und durch diese menschliche Barrikade sah John das letzte Mitglied des Haushalts herbeikommen.
    Zwei zerlumpte Flügel schleiften und hüpften über die Rasenflächen und durch das Tor. Der Reiherjunge näherte sich. Ein breites Lächeln malte sich auf seinem Gesicht. Dann sah er die Musketen.
    Sein Gesichtsausdruck veränderte sich. Er runzelte die Stirn beim Anblick der Milizionäre, die vor John standen.
    »Nein«, flüsterte John. Er streckte die Hände aus, um den zerlumpten Jungen wegzuscheuchen. Aber der Reiherjunge ahmte seine Bewegung einfach nach. John winkte, und der Reiherjunge winkte zurück und lächelte fröhlich über das lustige Spiel, als er mit einem Flügel einen Milizionär am Arm erwischte. »Lasst ihn in Ruhe!«, rief John. Doch der Milizionär unmittelbar vor ihm schlug mit dem Kolben seiner Muskete zu und traf John in den Unterleib. Das Lächeln des Reiherjungen schwand. Er runzelte abermals die Stirn. Und dann holte er mit seinen Schwingen aus.
    Der erste Schlag erklang im Hof, als eine der Schwingen den nächstbesten Helm traf. Gelächter stieg aus dem Haushalt auf. Den nächsten Mann traf eine der Schwingen von hinten. Das Gelächter im Hof wurde lauter. Solchermaßen angefeuert, schlug der Reiherjunge mit vermehrter Kraft zu, abwechselnd nach links und nach rechts, und trieb eine kleine Gruppe von Milizionären vor sich her. Keuchend versuchte John sich einen Weg durch die Umstehenden zu bahnen. Doch bevor er seinen Kameraden erreichen konnte, sah er Marpot dem schwarzbärtigen Soldaten zunicken. Der Soldat trat vor und legte seine Muskete an.

    »Nein!«, schrie John.
    Der Blick des Soldaten war unbeirrt. John sah, wie er einen Schritt zur Seite trat, um bessere Sicht zu haben. Dann ertönte ein Krachen. Aus der Muskete stieg ein Rauchwölkchen auf.
    Der Reiherjunge hielt mitten im Schlag inne. Ratlosigkeit zeigte sich auf seiner Miene. Als ein schwellender Blutfleck seine Hemdbrust rötete, sah er zu John, als wollte er ihn fragen, wie es gekommen war, dass sie dieses Mal verloren hatten. Aber bevor John antworten konnte, verdrehte er die Augen. Seine Flügel fielen auf den Boden. Es sah aus, als sackte der Reiherjunge in sich zusammen; statt zu Boden zu stürzen, fiel er ein wie ein Kartengebäude, kippte zur Seite und regte sich nicht mehr.
    Lucretias Stimme durchbrach die Stille.
    »Mörder!«
    Sie drängte sich durch den Haushalt, den zornigen Blick auf Marpot gerichtet. Als sie sein Pferd erreichte, holte Marpot mit einer Hand aus. Sein Panzerhandschuh sauste herab und schlug Lucretia ins Gesicht. Sie fiel rückwärts zu Boden, und aus dem Haushalt stieg ein Ächzen auf. Die Milizionäre legten ihre Waffen an.
    »Schamlose Isebel!«, rief Marpot. »Du wolltest mit mir in der Kapelle knien? Mir vor Gott ins Gesicht lügen?«
    Blut quoll zwischen Lucretias Fingern hervor. John trat vor, doch sie wehrte ihn mit einer Handbewegung ab.
    »Das ist die Hand«, rief

Weitere Kostenlose Bücher