Das Finale
nehmen
Sie das nicht wörtlich«, sagte Frauke und stand auf. »Wir werden Sie unter
Beobachtung halten. Haben Sie vor, in der nächsten Zeit zu verreisen?«
»Ich bin
Geschäftsmann und ständig unterwegs.«
»Dann sollten Sie in
Hannover bleiben und hier Ihre Geschäfte abwickeln. Vielleicht macht es Sinn,
die Verbindung zu den Italienern abzubrechen und auf weitere gemeinsame
Unternehmungen zu verzichten.« Sie streckte ihm den Zeigefinger entgegen und
bewegte ihn wie in einer Drohgebärde. »Nun haben Sie von mir einen guten Rat
bekommen. Und das völlig kostenfrei.«
Sie ließen einen
verunsicherten Igor Stupinowitsch zurück. Trotz aller nach außen gezeigten
Gelassenheit begann der Weißrusse die Nerven zu verlieren. Fraukes Ansinnen war
aufgegangen. Sie hatte die Saat der Zwietracht erfolgreich ausgebracht.
Im
Landeskriminalamt wurden sie von Nathan Madsack erwartet.
»Es gibt
Neuigkeiten«, strahlte der Hauptkommissar und begann schon auf dem Flur zu
berichten, während er neben Frauke herwatschelte. »Die Analyse der Buchhaltung
und die Auswertung der beschlagnahmten Computer bestätigt unsere Vermutung,
dass die gewaschenen Gelder über die fingierten Pensionserlöse bei
Reichenberger in Braunschweig zusammengelaufen sind. Von dort wurden die Gelder
über die sogenannten Vermögensverwaltungen zur Lucky Holding weitergeleitet.
Die hat, nachdem alles ordnungsgemäß versteuert worden ist, den Gewinn an die
beiden Gesellschafter ausgeschüttet. Mit den aus illegitimen Geschäften generierten
Gewinnen hat die Organisation übrigens kräftig in legale Objekte investiert.
Wer Anteile an diesem Firmengeflecht besitzt, ist ein gemachter Mann. Das ist
wie eine Gelddruckmaschine. Die haben Objekte erworben, teilweise saniert und
weiterverkauft. Es ist sicher auch zu prüfen, warum manche Eigentümer weit
unter Marktpreis an Reichenberger veräußert haben. Ob bei denen, die sich
vertrauensvoll an die Immobiliengesellschaft gewandt haben, ein Kommando der
Organisation erschienen ist und den potenziellen Verkäufern klargemacht hat,
dass sie ihre Preisvorstellungen zugunsten Reichenbergers reduzieren sollen,
prüfen die Kollegen vor Ort.«
Sie hatten Fraukes
Büro erreicht. Madsack stand vor ihrem Schreibtisch und holte tief Luft. Sein
langer Vortrag während des Gehens hatte ihn atemlos werden lassen.
»Was ist mit Herbert
L’Arronge und Vittorio Gasparone?«
»Von beiden haben
wir noch nichts gehört. Die sind untergetaucht und bleiben verschwunden. Das
ist aber noch nicht alles.« Er sah Frauke an und wartete auf ein Lob. Für
Frauke hatte sein Verhalten Ähnlichkeit mit dem eines Hundes, der für ein
vollbrachtes Kunststück ein Leckerli erwartete.
»Was gibt es sonst
noch?«
»Der Abgleich der
Phantombilder, die wir aufgrund der Aussagen der Pensionsinhaber angefertigt
haben, war erfolgreich.«
»Ja? Und? Haben wir
einen Namen?«
Madsack nickte. »Es
gibt fast keine Zweifel mehr, dass es Alessandro Boccone war.«
»Das würde Sinn
machen«, sagte Frauke nachdenklich. »Mir gegenüber hat Boccone gesagt, dass er
als ›Buchhalter‹ für die Organisation tätig war.« Frauke spreizte ihre zehn
Finger, hielt sie in die Luft und klappte hintereinander fünf Finger ab. »Es
ist wie bei den zehn kleinen Negerlein, Madsack. Die Organisation verliert
immer mehr ihrer Leute. Es wird nicht mehr lange dauern, bis der Pate selbst
das Geld einsammeln muss.«
»Über die Verträge
haben wir auch den Namen des angeblichen Mieters bei den Pensionen
herausgefunden. Da war die Organisation ziemlich einfallslos.«
»Kennen wir das
Unternehmen?«
Madsack schüttelte
den Kopf. »Das gibt es nicht. Die Adresse lautet ›Hohenzollernring‹. Es ist
eine wunderschöne alte Stadtvilla gegenüber der Musikhochschule, in der ein
renommierter Arzt und ein Institut für Gesundheitscoaching untergebracht sind.
Die sind über jeden Verdacht, mit unlauteren Machenschaften in Verbindung zu
stehen, erhaben.«
»Moment«, stoppte
Frauke. »Unweit davon wurde doch Boccone ermordet aufgefunden?«
»Schon«, sagte
Madsack gedehnt. »Das ist aber Zufall.«
»Hoffentlich haben
Sie recht«, erwiderte Frauke skeptisch.
»Ganz bestimmt. Die
haben seit Jahren einen exzellenten und untadeligen wissenschaftlichen Ruf.«
Sie sah auf die Uhr. Es wurde Zeit, den Georgsplatz aufzusuchen. Dort war sie
›Georg‹ das erste Mal begegnet. Vielleicht fand sie Biker, die ihr bei der Suche
nach seiner wahren Identität behilflich sein
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