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Das Flüstern der Stille

Das Flüstern der Stille

Titel: Das Flüstern der Stille Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Ivonne Senn Heather Gudenkauf
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Tochter verschwunden. Fielda hat sich die Decke über den Kopf gezogen, und ich kann sie im Schlaf atmen hören, schwer und gleichmäßig. Ich berühre ihre Schulter, bevor ich mich leise aus dem Zimmer stehle und die Tür hinter mir schließe. Im Flur zögere ich; ich weiß nicht recht, was ich mit mir anfangen soll. Ich weiß, dass ich nicht hier, im Haus meiner Schwiegermutter, bleiben kann, es ist zu weit weg von allem, was gerade passiert. Ich muss in der Nähe der Polizisten sein. Ich muss auf Abruf bereitstehen. Ich war schon einmal nicht für meine Tochter da, als ich zugelassen habe, dass sie aus unserem Haus entführt wird, oder? Ich hätte es merken müssen, oder nicht? Wenn jemand mitten in der Nacht mein Haus betritt, die Treppe hochschleicht, an meinem Schlafzimmer vorbei, den Flur hinunter, in das Zimmer meiner Tochter, auf der Schwelle stehen bleibt, dem Surren des Ventilators lauscht, das Heben und Senken von Petras Brust beobachtet.
    An dieser Stelle muss ich aufhören. Ich kann mir nicht vorstellen, was nach diesem Punkt kommt. Ich müsste es doch wissen, oder? Wenn jemand in meinem Haus wäre, ich würde es wissen.

Ben
    Ich renne, bis meine Brust beinah explodiert. Mein Gesicht ist heiß von Tränen. Ich stolpere über einen umgestürzten Baum und reiße mir mein Hemd an einem dornigen Ast auf, aber ich renne weiter, hinunter zum Bach. An der Art, wie der Cop mich angeschaut hat, wie er mit mir gesprochen hat, konnte ich sehen, dass er dachte, ich hätte dir wehgetan, Calli. Zumindest dachte er, ich wüsste, wer dir wehgetan hat.
    Jason Meechum, der Bastard. War ja klar, dass er zur Sprache kommen würde. Ich hätte ihn umbringen können. Hätte ich. Aber nicht wirklich. Aber ich war so wütend, rasend. Es fing letzten Frühling in der Mathestunde an. Ich musste an der Tafel irgendeine fürchterliche Bruchrechnung lösen und konnte nicht denken. Wenn ich Zettel und Stift gehabt und am Küchentisch gesessen hätte, dich mit den Füßen schlenkernd auf dem Stuhl neben mir, Schmetterlinge malend, wäre alles gut gewesen. Aber ich stand an der Tafel vor siebenundzwanzig anderen Kindern mit einem dicken Stück krümeliger Kreide in der Hand und konnte nicht denken. Jason Meechum hat angefangen. Ich konnte seine quengelige, wieselige Stimme hören.
    „Spasti“, hustete er und verdeckte seinen Mund mit der Hand.
    Die anderen Kinder kicherten, sagten aber nichts. Die Lehrerin hatte ihn nicht gehört, natürlich nicht, und ermunterte mich, es weiter zu versuchen. Mehr Gelächter. Ich konnte Dutzende von Blicken spüren, die sich in meinen Rücken brannten. Ich schaute über meine Schulter nach hinten und sah, wie Meechum Grimassen schnitt und mir „Spasti“ zuflüsterte. Ich erinnere mich, dass ich versucht habe zu schlucken, aber mein Mund war zu trocken. Ich kann mich nicht erinnern, es getan zu haben, wirklich nicht. Aber Meechum hatte mich vorher schon geärgert, Witze über meinen besoffenen Vater und meine zurückgebliebene Schwester gerissen. Das hier war nur der Tropfen, der das Fass zum Überlaufen brachte. Irgendetwas in mir ist ausgetickt. Ich habe mich umgedreht, das Stück Kreide in meiner Faust, und habe es auf ihn geworfen, so hart ich nur konnte. Ich bin ein großer Junge und habe einen starken Arm. In der Minute, als es aus meiner Hand flog, versuchte ich noch, es aufzuhalten, aber es war zu spät. Ich hatte Bilder vor Augen, wie die Kreide einen meiner Klassenkameraden traf oder, noch schlimmer, den Lehrer. Aber das tat sie nicht, sondern sie traf Meechum genau zwischen die Augen. Ich hörte das dumpfe Geräusch, als die Kreide aufprallte, und sah, wie er sein Gesicht mit den Händen bedeckte. Die Klasse wurde totenstill, und Miss Henwood saß mit offenem Mund an ihrem Tisch. Ich bin normalerweise nicht der Junge, der im Unterricht Probleme macht. Ich bin einfach aus der Klasse gegangen und zu Fuß nach Hause gelaufen, ungefähr fünf Kilometer.
    Dort erwartete mich meine Mutter schon. Sie war nicht böse. Sie sah nur traurig aus, und natürlich musste ich dann heulen. Sie nahm mich auf den Schoß, als ob ich drei wäre; ich bin sicher, dass ich ihr beinah die Knochen zerquetscht habe, und ich weinte, und sie versicherte mir, dass alles wieder gut werden würde.
    Wurde es aber nicht. Es gab ein großes Treffen mit dem Direktor. Ich musste mich bei Meechum entschuldigen – und tat es auch, obwohl ich immer noch dachte, dass er es verdient hatte. Meechums Eltern regten sich noch eine

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