Das geheime Leben der CeeCee Wilkes
lange geschlafen, draußen war es noch dunkel. Genevieve spielte ihr etwas vor.
“Ach, bist du jetzt auf einmal Ärztin?” Genevieve ließ sich wieder nach hinten fallen und blinzelte ins Licht. “Oh mein Gott.” Sie bedeckte das Gesicht mit beiden Händen. “Du musst mich in ein Krankenhaus bringen.”
“Ich glaube Ihnen nicht.”
“Bitte!”
Genevieve sah sie an. “Du musst mir unbedingt glauben. Das sind die Wehen.”
“Es ist zu früh. Sie sagten …”
“Glaubst du, ich wüsste nicht selbst, dass es zu früh ist?”, zischte Genevieve. “Kinder kommen manchmal zu früh, du dummes kleines Ding. Und es ist nicht gerade gut, wenn das geschieht. Denn es muss sich sofort jemand um sie kümmern. Und nach Vivians Geburt bin ich fast verblutet.”
“Warum?”, fragte CeeCee. Sie spielt nur Theater, sagte sie sich immer wieder. Bleib ruhig.
“Die haben mir nur gesagt, dass Rothaarige oft mehr bluten. Sie können einen Blutsturz bekommen.”
“Das ist doch verrückt.”
“Hör mir zu!” Genevieve setzte sich umständlich auf. “Es ist mir egal, ob du mir glaubst oder nicht, aber du musst mich in ein Krankenhaus bringen. Wenn dem Kind etwas geschieht …” Sie schüttelte den Kopf. “Willst du mit einer solchen Schuld weiterleben?”
“Woher soll ich wissen, dass Sie die Wahrheit sagen?” Und selbst wenn, was sollte sie dann tun? Wo gab es ein Krankenhaus? Sie hatte nicht die geringste Ahnung. Noch weniger konnte sie sich vorstellen, auf dunklen holprigen Straßen zu fahren. Sie war froh, dass die Maske ihr Gesicht verbarg.
“Oh nein.” Genevieve spreizte die Beine und starrte auf ihre sich dunkel färbende Hose.
“Was …” Hatte sie sich in die Hose gemacht? Die Situation begann CeeCee langsam über den Kopf zu wachsen.
“Meine Fruchtblase ist geplatzt.” Genevieve sah sie lange an. “Oh mein Gott. Ich habe Angst.” Wenn der dunkle Fleck allein nicht gereicht hätte, so erkannte CeeCee jetzt an ihrer Stimme, dass sie kein Theater spielte. “Wo ist das nächste Krankenhaus?”
“Ich weiß nicht.” CeeCee stand ganz still und presste die Pistole an sich. Sie spürte, wie Furcht von ihr Besitz ergriff. Sie konnte Genevieve doch unmöglich in ein Krankenhaus bringen. Was wurde dann aus ihrem Plan? Und aus Andie? Sie alle würden im Gefängnis landen.
“Gibt es hier ein Telefonbuch?”
“Ich sagte doch, wir haben kein Telefon.”
“Ich meine wegen der Adresse.”
“Ach so. Ich schaue nach.” CeeCee rannte aus dem Zimmer. Zwar hatte sie vor Genevieves Ankunft in jede Schublade und in jeden Schrank geschaut, aber vielleicht hatte sie ja etwas übersehen.
In der Küche legte sie die Pistole auf den Tisch und zog eine Schublade nach der anderen heraus. Sie öffnete die leeren Schränke und fragte sich dabei die ganze Zeit, was sie nur tun sollte. Am Kühlschrank hing ein Magnet mit der Anschrift eines Restaurants in New Bern. Da begriff CeeCee, dass sie selbst mit der Adresse eines Krankenhauses nichts würde anfangen können, da sie nicht wusste, wie sie es finden sollte. War sie in der Lage, zurück zu Naomi und Forrest zu fahren? Wohl kaum, zumal die beiden sie umbringen würden, wenn sie dort mit oder ohne die Frau des Gouverneurs auftauchte.
Was soll ich tun?
“Dornröschen!”, schrie Genevieve.
CeeCee rannte zurück ins Schlafzimmer. Genevieve hatte sich zwei Kissen untergelegt. “Hör zu. Das alles geht viel zu schnell. Du musst mir helfen, das Baby zur Welt zu bringen.”
“Oh nein! Wir könnten einfach losfahren. Versuchen, nach New Bern zu kommen.”
“Da sind wir also? In New Bern?”
“In der Nähe.” CeeCee hätte sich selbst ohrfeigen können. Tim hatte sich die Mühe gemacht, der Frau auf der Fahrt die Augen zu verbinden, und nun das.
“In New Bern gibt es ein Krankenhaus”, sagte Genevieve.
“Aber ich weiß nicht, wo. Ich wüsste nicht mal, in welche Richtung wir fahren sollten. Wir sind ganz tief im Wald.”
“Verdammt.” Genevieve unterdrückte ein Schluchzen. “Du bist nicht gerade eine große Hilfe!”
“Wir müssen es versuchen. Wir können nicht einfach hier bleiben. Vielleicht kann ich zu dem Haus von … Freunden fahren. Dort gibt es ein Telefon. Aber ich bin nicht sicher, ob ich …”
“Warum hast du das nicht gleich gesagt?” Genevieve versuchte aufzustehen, doch dann hielt sie sich plötzlich am Nachttisch fest, krümmte sich vor Schmerzen und heulte wie ein verwundetes Tier. CeeCee nahm ihren Arm, um ihr wieder aufs
Weitere Kostenlose Bücher