Das geheime Leben der CeeCee Wilkes
Arbeit, bei einem Stück mitzuspielen. Du musst dir ganz viel Text merken.”
“Ich kann gut auswendig lernen”, meldete sich Cory zu Wort.
“Das stimmt. Und deswegen finde ich, ihr solltet es beide versuchen. Es ist auf jeden Fall eine tolle Erfahrung, egal, ob ihr eine Rolle bekommt oder nicht. Also, was sagt ihr?”
“Ich sage ja, ja!” Dru knallte die Gabel auf die Tischplatte, wobei ein Klumpen Thunfischauflauf durch die Luft flog und auf dem Boden neben der Anrichte landete. “Huch.” Sie bedeckte kichernd ihren Mund mit der Hand.
“Und was ist mit dir, Cory-Dory?”, fragte Jack.
Cory zögerte. “Okay”, sagte sie schließlich. “Welchen Text muss ich auswendig lernen?”
Zwei Wochen später saßen Eve und Jack ganz hinten im Zuschauerraum und beobachteten das Vorsprechen. Jack hatte mit beiden Mädchen die Rollen geübt, die sie nun wirklich in- und auswendig konnten. Eve sah, wie Cory Dru an der Hand nahm und mit ihr nach vorne lief, wo bereits ein Dutzend Kinder auf ihren Stühlen saßen. Sie sorgte sich – nicht um Dru, deren Selbstbewusstsein durch diese Erfahrung sicher gestärkt würde, sondern um Cory.
Und Eve sorgte sich um sich selbst.
Sie hatte immer damit gerechnet, eines Tages Brustkrebs zu bekommen. Nachdem ihre Mutter mit neunundzwanzig Jahren an dieser Krankheit gestorben war, erschien es ihr fast unausweichlich. Doch es war nicht geschehen, zumindest noch nicht. Stattdessen bereiteten ihre Füße ihr so große Probleme, dass sie in der vorigen Woche endlich einen Arzt aufgesucht hatte.
“Ihr Blutbild und die Röntgenaufnahmen sind vollkommen in Ordnung”, hatte er ihr versichert. “Mit Ihren Füßen scheint alles zu stimmen.”
“Darüber bin ich wirklich froh. Aber warum tun sie dann so weh, wenn ich aufstehe?”
“Haben Sie sich vielleicht verletzt? Treiben Sie zu viel Sport?”
“Ich laufe morgens zur Uni. Und dort bin ich auch viel auf den Beinen, allerdings tun sie mir dann nicht weh.”
Er klappte die Krankenakte zu. “Na, vielleicht macht sich die viele Lauferei erst nachts bemerkbar. Ich denke nicht, dass Sie sich Sorgen machen müssen.”
Sie bildete sich also alles nur ein. Das wollte er doch damit sagen, oder nicht? Auf einmal tat ihr Cory leid, deren psychosomatische Magenschmerzen von den Ärzten ähnlich behandelt wurden – und oft genug auch von Eve selbst.
“Jetzt geht’s los”, murmelte Jack. Sie richtete ihre Aufmerksamkeit wieder auf die Bühne. Dru hüpfte gerade die Stufen hinauf. Als Letzte in ihrer Altersgruppe machte sie wirklich Eindruck. Sie sprach ihren Text akzentuiert und leidenschaftlich und mit so ausdrucksvollen Gesten, dass die Erwachsenen im Zuschauerraum zu lachen begannen. Sie war ganz klar Jacks Tochter. Als sie sich verbeugte und von der Bühne ging, wurde geklatscht.
Fünf dreizehnjährige Mädchen waren vor Cory an der Reihe, und Eve ahnte, wie quälend das Warten für ihre Tochter sein musste. Ihre Nervosität war nicht zu übersehen, als sie schließlich auf die Bühne kletterte. Sie verkrampfte die Hände hinter dem Rücken, dann ließ sie sie schnell herabsinken, als ob sie sich an die Anweisungen ihres Vaters erinnert hätte.
Als sie zu sprechen begann, war ihre Stimme so leise, dass man sie kaum verstehen konnte.
“Lauter, Liebling”, flüsterte Jack.
Doch daraufhin wurde ihre Stimme nur noch gedämpfter. Eve betrachtete Sherry Wilson, die Regisseurin, die angestrengt versuchte, sie zu verstehen.
“Oh, Jack, das halte ich nicht aus.” Eve wusste, wie viel Mut es Cory gekostet hatte, überhaupt die Bühne zu betreten.
Jack nahm ihre Hand. “Das wird schon.”
Wie erwartet, wurde Cory nicht genommen, während Dru die wichtigste Rolle in ihrer Altersgruppe ergatterte hatte. Eve zog Cory in die Arme.
“Ich bin so stolz auf dich, dass du da raufgegangen bist, Cory. Das war nicht leicht für dich.”
Cory zuckte mit den Schultern und sah zur Seite. Sie sprach auch kein Wort, als sie alle gemeinsam zum Wagen liefen, und auf der Heimfahrt starrte sie aus dem Fenster.
“Ihr beide habt heute eine Menge Mut bewiesen”, sagte Jack.
“Ich wollte mit Cory zusammen spielen”, beschwerte sich Dru.
“Ist schon gut”, sagte Cory. “Mir macht es wirklich nichts aus.”
Der Verkehr stockte mit einem Mal, Blaulicht zuckte durch die Dunkelheit.
“Hat wohl einen Unfall gegeben”, sagte Jack.
“Ich will das nicht sehen”, rief Cory. “Können wir einen anderen Weg fahren?”
“Wir stecken im Stau,
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