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Das geheime Lied: Roman (German Edition)

Das geheime Lied: Roman (German Edition)

Titel: Das geheime Lied: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrés Pascual
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bedeutete er ihnen, ihm zu folgen. Sie verließen den Platz gefolgt vom Schamanen und einer Gruppe Soldaten, die als Leibwache ihren Herrscher beschützten.
    Während sie langsam voranschritten, begann der Kapitän seine Ausführungen: Wenn der Anosy-König der Kompanie die Erlaubnis erteilte, mit ihren Schiffen in Fort Dauphin der so ersehnten Handelstätigkeit nachzugehen, und man ihnen gestattete, die Rohstoffe der Insel zu nutzen, dann hätte jeder ihrer Frachter auch eine Ladung Waffen und Pulver für Ambovombes Soldaten mit an Bord.
    Pierre konnte nicht glauben, was er da übersetzen sollte.
    »Hast du gerade ›Waffen und Pulver‹ gesagt?«
    »Ambovombe wäre es doch mit Sicherheit recht, das nicht alles einzeln durch Tauschgeschäfte erwerben zu müssen«, versicherte der Kapitän missmutig, als wolle er die Bedeutung seiner Worte herunterspielen. »Jetzt übersetz schon. Und wage es nicht, meine Worte noch einmal in Frage zu stellen.«
    Pierre wusste genau, was er meinte. Bei ihrem Eintreffen in Fort Dauphin vor zehn Jahren war es den französischen Kapitänen verboten gewesen, unter den Eingeborenen Geld in Umlauf zu bringen. Daher hatten sie mit Gewehren bezahlen müssen, wenn sie von ihnen Sklaven oder Lebensmittel kaufen wollten. Ambovombe kannte die Macht des Pulvers, obwohl er seit der Vertreibung der Kolonisatoren kaum noch Möglichkeiten hatte, sich ein echtes Arsenal anzulegen. Inzwischen gelangte er nur noch durch geschmuggelte Piratenware an Waffen, dieses System war jedoch langsam und teuer: Für eine erwachsene Sklavin bekam er nicht mehr als zwei Gewehre, zehn Pfund Pulver und eine Flasche Branntwein, für einen jungen Sklaven auf der Höhe seiner Jugend und Kraft vier Gewehre, ein Klafter Linnen, einen Spiegel und zwei Flaschen Branntwein.
    »Was soll das?«, empörte sich Matthieu.
    »Du bist nicht der Einzige, der hier eine Mission zu erfüllen hat.«
    »Ihr habt mich also vom ersten Tag an belogen …«
    La Bouche entschuldigte sich beim Anosy-Herrscher mit einer formellen Geste, bevor er seine beiden Begleiter beiseitenahm.
    »Verdammt noch mal, dieser Wilde verliert gleich die Geduld.«
    »Wusstest du davon?«, fragte Pierre Matthieu. »König Louis unterstützt Ambovombe …«
    »So wird es für ihn zumindest aussehen«, versuchte der Kapitän, sie in verschwörerischem Tonfall zu beschwichtigen. »Aber denkt doch mal daran – wenn wir uns endlich auf dieser Insel niederlassen, haben wir auch die Möglichkeit, seiner Grausamkeit Einhalt zu gebieten.«
    »Unsere Anwesenheit wird ihm vielmehr die wenigen Aspekte menschlicher Grausamkeit nahebringen, die er bislang noch nicht kannte.«
    »Waffen …«, murmelte Matthieu. Er versuchte, sich mit dem Gedanken abzufinden, dass sein Anliegen jetzt nur noch zweitrangig war, denn La Bouche würde dieser Abmachung zuliebe die Suche nach der Melodie sicher bereitwillig aufgeben. »Wusste mein Onkel, Charpentier, von diesem doppelten Spiel?«
    »Ich glaube kaum, dass der Sonnenkönig solche Staatsangelegenheiten mit seinen Musikern bespricht«, murmelte La Bouche.
    Pierre sah ihn mitleidig an.
    »Du bist derjenige von uns beiden, der sich in den letzten zehn Jahren verändert hat, Kapitän. Und zwar viel mehr als ich.«
    Von diesem Moment an übersetzte er, was La Bouche ihm vorgab, ohne über die möglichen Folgen seiner Worte nachzudenken. Anders wäre es ihm überhaupt nicht möglich gewesen.
    »Ich werde Euch mit mehr Waffen versorgen, als Eure Krieger je abfeuern können«, lockte der Kapitän Ambovombe.
    »Aber dann werden auch Schiffe mit anderen Flaggen kommen«, wandte der Eingeborene ein und zeigte damit wieder einmal seine unglaubliche Intuition.
    »Kümmert Ihr Euch um die dauerhafte Absicherung Eures Territoriums, und ich weise die Engländer und die Holländer in ihre Schranken«, zerstreute La Bouche seine Bedenken. Aber auch er war sich dessen bewusst, dass das Interesse anderer europäischer Kaufleute an Madagaskar wieder aufleben würde, wenn die Franzosen erst das Tor zur Insel geöffnet hatten. »Ihr müsst mir lediglich Eure Zustimmung erteilen, und ich werde umgehend nach Paris aufbrechen, um alles in die Wege zu leiten.«
    Matthieu konnte nicht länger an sich halten.
    »Kapitän, Ihr vergesst die Melodie.«
    »Warum lässt du mich nicht wenigstens einen Teil der Mission erfolgreich zu Ende führen? Hast du denn immer noch nicht begriffen, dass es hier keine Melodie mehr zu kopieren gibt? Luna ist mit Misson

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