Das geheime Lied: Roman (German Edition)
ihretwegen meine Zeit an diesen Dickkopf Charpentier verschwenden sollte?«, scherzte der König nach den ersten Worten seines Ministers. »Ihr solltet lieber das hier probieren.«
Unter all den Speisen, die aufgetragen worden waren, wies er auf sein Leibgericht: mit Nelken gespickter Schinken, der mit Zimt und Zucker bestreut war.
»Tatsächlich«, bemerkte Louvois, »würden Eure Majestät noch jemand anders außer dem Komponisten seine Zeit widmen.«
»Warum rückt Ihr nicht endlich mit der Sprache heraus?«, mäkelte der Herrscher. »Eure Ausflüchte schlagen mir noch auf den Magen.«
»Charpentier verlangt, dass ihn zu dem Empfang sein Neffe Matthieu begleiten darf, der junge Mann, der für die Vorfälle in der Orangerie verantwortlich ist.«
Mit einem falschen Lachen überspielte der König die Wallung widersprüchlicher Gefühle, die ihn bei der Erwähnung des Skandals überkam.
»Das verlangt er, sagt Ihr?«
»Wenn ich mir die Bemerkung erlauben darf, Majestät, ich glaube kaum, dass Ihr dies als einen hohen Preis erachten werdet, wenn Eure Majestät den Vorschlag anzuhören geruhten«, äußerte Louvois mit Bestimmtheit.
Was ist das nur mit diesem jungen Musiker?, fragte sich der König. Warum musste er ihm schon wieder gegenübertreten? Er wollte sich seinem geheimnisvollen Blick nicht noch einmal stellen müssen, aber zugleich reizte ihn die Idee, so verrückt sie auch war, diese Augen wiederzusehen.
Louvois erläuterte detailliert alles, was er über die Melodie vom Ursprung wusste. Der Herrscher schwieg, fasziniert von diesen unerwarteten Neuigkeiten, die sein Minister da vor ihm ausbreitete.
»Wollt Ihr etwa behaupten, dass diese verrückte Geschichte der Wahrheit entspricht?«, fragte König Louis skeptisch.
»Ich habe mir die Sache durch den Kopf gehen lassen, und ich denke, dass Eure Majestät es auf einen Versuch ankommen lassen sollten.«
Der König fuhr sich mit der Hand übers Kinn.
»Es ist möglich, dass Charpentiers Partner, wer auch immer das sein mag, nicht auf das Gold aus ist, weil er erhabenere Ziele hat. Mich hingegen interessiert alles, was dieser Stein mir geben kann: grenzenlosen Reichtum, unendliches Wissen … Wo ist da schon der Unterschied? Es handelt sich doch nur um verschiedene Arten von Macht.« Ein boshaftes Lächeln spielte um seinen Mund, das dann aber plötzlich zu einer missmutigen Miene umschlug. »Wer weiß noch davon?«
»Angeblich war niemand eingeweiht, der brutale Mord an seinem anderen Neffen hat jedoch das Gegenteil bewiesen.«
»Eines ist klar, wenn dieser Dr. Evans die Dienste des Matrosen in Anspruch nehmen konnte, dann konnte es auch jeder andere. Wir sprechen hier von einem rauen Seemann, von dem wir kein ehrenhaftes Verhalten erwarten dürfen. Zweifellos war er es, der sie verraten hat …«
»Die undichte Stelle kann sich überall befinden, Majestät. Daher sollten wir unsere Widersacher vergessen und uns lieber darauf konzentrieren, die korrekte Partitur so schnell wie möglich zu erlangen. Nicht auszudenken, was geschehen kann, wenn ein solcher Schatz in die falschen Hände gerät!«
Mit geneigtem Kopf verharrte der König nachdenklich und strich sich zärtlich über das Kinn.
»Es ist ein Zeichen!«, rief er auf einmal aus.
»Was meint Ihr damit?«
»Ein Zeichen! Dieser Matthieu ist ein Botschafter des Schicksals. Die Sterne haben die Katastrophe bei der Aufführung des Amadis herbeigeführt, damit ich auf wundersamem Wege zur Melodie vom Ursprung gelangen kann.«
»Ihr habt recht, Majestät …«
»Es ist eine Fantasie, die der Mythologie entrissen wurde und nun mir dargeboten wird«, rief er schwärmerisch. Er hatte den Thron bereits als Vierjähriger bestiegen, und die langen Jahre der Regentschaft hatten seine Wahrnehmung geschärft. Dieser Spürsinn sagte ihm nun, dass der Moment wahren Ruhmes gekommen war. Charpentier musste diese Partitur einfach für ihn transkribieren, er wollte spüren, wie die Engelsmusik ihn einhüllte und seinem privilegierten Verstand eines Halbgottes Zugang zu Wissen und absoluter Macht ermöglichte. »Ich werde dem himmlischen Vater von Angesicht zu Angesicht begegnen, und die ganze Welt wird mir zu Füßen liegen. Es stand geschrieben, dass dies eines Tages geschehen würde«, schloss er mit entrücktem Blick.
»Dann werde ich die Audienz also für morgen ansetzen.«
»Ich will sie bereits heute Nachmittag!«
»Majestät, der junge Mann ist noch in der Bastille …«
Der König verkniff sich
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