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Das Geheimnis der Krähentochter

Das Geheimnis der Krähentochter

Titel: Das Geheimnis der Krähentochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Becker
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Sie befürchtete bereits, er könnte sagen, man
hätte die Gefangenen umgebracht.
    »Ach so, die meinen Sie. Na ja, die werden die Soldaten
mitgenommen haben. Als Träger von Munition und Gepäck wahrscheinlich.« Er
straffte seinen Oberkörper ein wenig. »Aber sagen Sie mir, wer sind Sie
überhaupt? Und warum fragen Sie nach Falkenberg?«
    »Falkenberg? Ist das der Oberst?«
    »Ja, das ist er, mein Fräulein. Doch noch einmal: Wer sind Sie?«
    »Ach, ich bin nicht von Bedeutung.«
    »In diesen Zeiten sind wir das wohl alle nicht.« Ein trauriger Zug
mischte sich in seinen Blick. »Aber ich darf keine Zeit mehr verlieren. Ich
muss meiner Armee folgen – und Sie sollten schleunigst nach Hause.«
    »Ich habe kein Zuhause.«
    Seine Stirn runzelte sich. »Sie können nirgendwo hin? Sie haben
keine Freunde, bei denen Sie sich in Sicherheit bringen können?«
    »Meine Freunde habe ich verloren«, sagte sie matt.
    »Hier können Sie nicht bleiben. Die Einwohner von Ippenheim haben
selbst die Stadt verlassen, jedenfalls die meisten von ihnen. Ippenheim ist so
gut wie tot. «
    »Meinten Sie eben, Sie würden der Armee von Oberst Falkenberg
folgen. Jener Armee, die die Gefangenen mitnahm?«
    Der Mann lächelte. »Ja, der Armee Oberst Jakob von Falkenbergs.
Ich habe mich noch um einige seiner Soldaten gekümmert, die zu schwer verletzt
wurden, um die Reise antreten zu können. Ihnen steht bloß noch eine Reise ganz
anderer Art bevor. Ihre allerletzte.«
    »Bitte – können Sie mich nicht mitnehmen?« Bernina fühlte,
wie Verzweiflung sie beherrschte. »Es wäre sehr, sehr wichtig für mich.«
    »Das geht wirklich nicht, mein Fräulein.«
    »Ich bitte Sie, mein Herr. Ich bitte Sie von
ganzem Herzen.«
    Er betrachtete sie erstaunt, nachdenklich, vielleicht sogar ein
bisschen spöttisch, aber auch mit einer gewissen Neugier. »Also, ich weiß
nicht …«
    »Ich habe nie in meinem Leben einen Menschen so sehr um etwas
gebeten.«
    »Sie wissen tatsächlich nicht, wohin Sie jetzt …«
    »Nein.«
    »Der Feind wird bald wieder in den Straßen sein, um den traurigen
Rest von dem einzunehmen, was noch einzunehmen ist.« Er schien das mehr zu
sich, als zu ihr zu sagen. Dann nickte er, ohne ihren Blick zu erwidern. »Na
gut, folgen Sie mir, mein Fräulein. Die Zeit wird knapp.«
    Noch bevor sie ein Wort des Dankes hätte äußern können, liefen sie
gemeinsam den Gang entlang, hinaus aus dem Gebäude und durch das Mauertor.
Unweit davon stand ein Planwagen, der Bernina an die Wagen der Gaukler
erinnerte. Davor waren zwei magere Pferde gespannt.
    Der Mann schwang sich auf den Bock und
reichte ihr die Hand, um sie ebenfalls nach oben zu ziehen. Er schnappte sich
die Zügel und schnalzte mit der Zunge. »Na los, ihr zwei alten Mähren, seht zu,
dass ihr uns aus diesem Höllenort hinausbringt.«
    »Wann werden wir die Armee des Obersts erreicht haben?«, wollte
Bernina wissen.
    »Bald«, kam eine unbestimmte Antwort. »Jedenfalls hoffe ich, dass
wir den Oberst und seinen Tross einholen, bevor Arnims Männer in unserer Nähe
auftauchen.«
    »Sie meinen, Arnim wird die Verfolgung aufnehmen?«
    »Gut möglich. Entweder das oder er wird erst eine Weile in
Ippenheim bleiben, um die Häuser zu plündern. Möglich aber auch, dass er sich
selbst dann noch auf die Spur des Obersts macht, um seinen Sieg zu
vervollkommnen.«
    Vom rhythmischen Schlagen der Hufe wurden Wolken aus feinem Staub
aufgewirbelt. Die Pferde schnaubten, das Holz des Wagens knirschte, und seine
Achsen ächzten schwer. Bernina drehte sich ein wenig nach hinten, um seitlich
an dem schmutzigen Stoff der Plane vorbeiblicken zu können, auf die Stadt, die
sie hinter sich ließ, in der ihr Leben innerhalb eines rasend schnellen, immer
noch nicht fassbaren Tages wieder einmal völlig auf den Kopf gestellt worden
war.
    Der Himmel war so makellos schön wie in jener Stunde, als sie in
Begleitung Anselmos und der übrigen Gaukler hier angekommen war, doch Ippenheim
war nicht mehr wiederzuerkennen. Hätten wir doch niemals den Weg hierher
genommen, dachte Bernina, und sie schloss die Augen, um sich Anselmos Gesicht
vorzustellen, den Klang seiner Stimme zu hören, seine Hand auf ihrer Haut zu
fühlen.
    »Sie scheinen ihn sehr zu vermissen«, schoben sich die Worte des
fremden Mannes in ihr Bewusstsein.
    »Wen?«, fragte sie nach kurzem Zögern.
    »Nun ja, mein Fräulein, denjenigen, an den Sie gerade denken.
Denjenigen, der offenbar in Gefangenschaft geraten ist, sonst hätten Sie

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