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Das Geheimnis der Lady Audley - ein viktorianischer Krimi

Das Geheimnis der Lady Audley - ein viktorianischer Krimi

Titel: Das Geheimnis der Lady Audley - ein viktorianischer Krimi Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Dryas Verlag
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Bedeutung als bloße Verachtung für Phoebes armselige Verschönerungsversuche zu verbergen schien. Es war die Gewissheit, dass dieser Plunder nicht mehr lange existieren würde. Mylady setzte ihre Haube wieder auf und ging hinaus.

    Ängstlich wartete Phoebe an der Eingangstür auf Myladys Rückkehr. „Das Talglicht, Mylady“, rief sie besorgt, als sie Mylady im Dunkeln die Treppe hinunterkommen sah. „Sie haben die Kerze oben gelassen.“
    „Der Wind hat es ausgeblasen, als ich gerade aus ­deinem Zimmer ging. Ich habe es dort gelassen.“
    „Und es war wirklich aus?“
    „Ja, ich sage es dir doch. – Es ist bereits nach eins. Komm.“ Sie nahm den Arm des Mädchens, und halb führte, halb zerrte sie es aus dem Haus. Der Druck ihrer kleinen Hand hielt die Begleiterin so, wie nur ein eiserner Schraubstock es hätte tun können. Der grimmige Märzwind schlug die Haustür hinter ihnen zu, und die beiden Frauen liefen ins Freie.
    Düster und schwarz erstreckte sich die Straße vor ihnen. Nur undeutlich war sie zwischen den entlaubten Hecken sichtbar. Mylady hastete die Landstraße entlang, so als werde sie von einer teuflischen Macht getrieben, die keine Gnade kannte. Der unbarmherzige Wind heulte unterdes um sie herum und fegte über die ausgedehnte Weite des verborgenen Landes. Er stürmte, so als sei er an jedem Punkt des Kompasses gleichzeitig losgebrochen und habe diese unglücklichen Wanderer zum Zentrum seiner ­Grausamkeit auserkoren.
    Mit der dunklen Nacht über ihnen eilten die beiden Frauen in der Finsternis den Hügel hinunter, auf dem sich Mount Stanning befand. Sie liefen anderthalb ­Meilen auf flacher Straße und stiegen danach den nächsten Hügel hinauf, an dessen westlicher Seite Audley Court lag. Auf dem Gipfel dieses Hügels hielt Mylady an, um Atem zu schöpfen. Sie drückte die Hände gegen ihr Herz in der ­vergeblichen Hoffnung, dadurch sein schreckliches Pochen beruhigen zu können. Sie waren nahe dem Court und seit Verlassen des Castle Inn fast eine Stunde unterwegs gewesen. Mit dem Gesicht in Richtung auf ihr Ziel blieb Lady Audley stehen, um sich auszuruhen.
    Dankbar für eine kurze Ruhepause nach diesem ­schnellen Fußmarsch hielt auch Phoebe Marks an. Sie blickte zurück in die ferne Dunkelheit, wo sich jene triste Behausung befand, die ihr schon so viel Sorgen bereitet hatte. Da stieß sie einen schrillen Schrei des Entsetzens aus. Wild griff sie nach Lady Audleys Mantel.
    Der Nachthimmel war nicht länger vollkommen schwarz. Die tiefe Schwärze wurde von einem grell leuchtenden Schein durchbrochen.
    „Mylady, Mylady!“, schrie Phoebe und deutete auf ­diesen gespenstischen Streifen. „Sehen Sie das?“
    „Ja, Kind, ich sehe es“, erwiderte Lady Audley, wobei sie sich bemühte, die klammernden Hände von ihrem Mantel abzuschütteln.
    „Das ist ein Feuer ...“
    „Ja, vermutlich in Brentwood. Lass mich los, Phoebe. Das geht uns nichts an.“
    „Es ist näher als Brentwood, sehr viel näher. – Es ist in Mount Stanning.“ Lady Audley gab keine Antwort. „Es ist das Castle Inn, es brennt ... ich weiß, dass es so ist!“ Phoebe schlug die Hände vor den Mund. Dann sah sie Lady ­Audley an. „Es würde mir nichts ausmachen, wenn es nur um das elende Haus ging, aber es wird Menschenleben kosten!“ Das Mädchen schluchzte wie von Sinnen. „Da ist Luke, zu betrunken, um sich selbst zu helfen ... und Mr Audley ...“
    Bei der Erwähnung von Roberts Namen brach Phoebe Marks jäh ab. Sie fiel auf die Knie, rang die empor­gereckten Hände und wandte sich wild flehend an Lady Audley. „Oh, mein Gott!“, schrie sie. „Sagen Sie, dass es nicht wahr ist, Mylady. Sagen Sie, dass es nicht wahr ist!“
    „Was?“ Lady Audley drehte sich von der Frau zu ihren Füßen fort.
    „Der Gedanke in meinem Kopf!“
    „Was meinst du, Mädchen?“, schrie Mylady scharf.
    „Oh, Gott verzeihe mir, wenn ich im Unrecht sein sollte“, stieß die kniende Frau hervor. „Warum sind Sie heute Abend zum Castle Inn gekommen? Sie, die Sie so verbittert über Mr Audley und Luke sind! – Die Kerze! Sie haben das Wirtshaus in Brand gesteckt! Sagen Sie, dass ich im Unrecht bin, Mylady.“
    „Ich sage dir gar nichts, außer dass du eine verrückte Person bist“, antwortete Lady Audley mit kalter Stimme. „Steh auf, Närrin. Ist dein Mann ein so kostbarer Fang gewesen, dass du hier auf dem Boden herumkriechen und um ihn jammern musst? Was bedeutet Robert Audley dir schon, dass du dich wie eine

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