Das Geheimnis der Rosenlinie - Esch, W: Geheimnis der Rosenlinie
erinnerten an venezianische Baumeister, doch die meisten offenbarten sich als weiß gekalkte, typisch griechische Häuser. Dicht an dicht zogen sie sich den Berg hinauf, waren klein in der Grundfläche, aber zwei, drei Stockwerke hoch mit einem flachen Dach.
Die Bucht wurde von den mächtigen Mauern des Johannesklosters beherrscht, das mehr an eine Kreuzfahrerfestung erinnerte denn an ein Haus Gottes. Rund um das zinnenbewehrte Kloster mit seinen grauen Mauern herum hatte die Ortschaft Chora den Berg erobert. Vom Hafen führten schmale Treppen und Gassen den Berg hinauf in den Hauptort der Insel. Auch hier standen die Häuser eng beieinander und die Wege durch Chora entpuppten sich als verwinkelte schmale Gassen mit Kopfsteinpflaster. Oft waren sie so eng, dass noch nicht einmal ein Handkarren Platz genug hatte, um hindurchgezogen zu werden.
Maurus war sichtlich berührt, als er das Schiff verließ.
»Hier also hat der Apostel Johannes lange Jahre der Verbannung verbracht. Hier schrieb er in einer Höhle seine Offenbarung. Welch heiliger Boden, den wir jetzt betreten.«
»Ich will dich ungern unterbrechen, mein Freund, aber wir müssen uns beeilen. Schließlich jagen wir einen Mörder«, unterbrach Matthias seinen philosophierenden Freund. Der Advocatus hatte sich bewaffnet. In seinem Gürtel steckte eine Pistole und in seiner Hand führte er einen türkischen Krummsäbel. Auch Kapitän Nuri und seine Leute führten Waffen mit sich. Schweigend machten sie sich auf den Weg über die Treppen und Gassen von Skala den Berg hinauf nach Chora bis hin zum Kloster Agios Ioannis.
Die Straßen und Gassen waren noch menschenleer. Nur ein paar Hunde und Katzen liefen herum oder lagen noch verschlafen in irgendwelchen Hauseingängen. In einem Fenster brannte Licht. Dort war jemand wach. Leise schlichen sie sich vorbei, denn sie wollten kein Aufsehen erregen. Dann hatten sie das Kloster Agios Johannis erreicht. Über dem mächtigen Tor befand sich eine Pechnase, die wohl noch aus dem Mittelalter stammte. Sie diente dazu, Angreifer mit heißem Öl zu übergießen. Links und rechts vom Tor reckten sich zwei Türmen gen Himmel. Matthias blickte in entschlossene Gesichter, nickte den Männern kurz zu und läutete.
Es dauerte eine Weile, bis man die Klosterpforte einen spaltbreit öffnete. Ein vollbärtiger Mönch mit schwarzer Kutte und Kamilavkion auf dem Haupt spähte durch den Spalt. Maurus versuchte, dem Mönch mit der zylinderförmigen schwarzen Kopfbedeckung den Grund ihres Besuchs zu erklären. Doch dieser warf nur misstrauische Blicke auf Matthias’ Waffen und die grimmig dreinschauenden ägyptischen Seeleute. Dann verschwand er plötzlich und verschloss die Pforte wieder.
»Kommt mir irgendwie bekannt vor«, murmelte Maurus und dachte an seine Ankunft im Kloster Villers.
»Sollen wir das Tor aufbrechen?«, wollte Nuri wissen.
»Nein, wartet noch. Es muss doch einen einfacheren Weg geben, ins Kloster zu gelangen. Maurus, bist du auch sicher, dass du dem Mönch alles richtig erklärt hast?«
»Aber ja, Matthias. Ich beherrsche das Griechische beinahe besser als das Lateinische.«
Plötzlich öffnete sich das Tor wieder, diesmal weit und der Mönch erschien in Begleitung eines greisen Mannes.
»Seid willkommen, Fremde«, grüßte der Greis freundlich.
»Ich bin Michail Christodulos. Ich bin der Abt dieses Klosters. Was führt Euch zu uns?«
»Ehrwürdiger Vater, wir haben die Befürchtung, dass Euch ein schrecklicher Mörder und Dieb heimsuchen wird. Möglich, dass er sich als Kaufmann oder als Jesuit zu erkennen gibt.«
Der Greis mit seinem sonnengegerbten Gesicht und den tiefen Furchen auf der Stirn antwortete mit einem Lächeln, das selbst unter dem dichten silbergrauen Bart noch zu sehen war.
»Ich darf Euch versichern, edle Herren, dass wir zu keiner Zeit in Gefahr waren oder in Gefahr sind. Der Friede unseres Herrn ist allzeit mit uns. Doch wenn es Euch beruhigt, dürft Ihr unser Haus gerne betreten und Euch selbst überzeugen.«
Matthias machte einen Schritt vorwärts. Doch der Greis hob mahnend den Zeigefinger.
»Ich bitte Euch, dies ist ein Hort des Friedens, ein Haus Gottes. Hier drinnen benötigt Ihr keine Waffen. Legt Eure Mordwerkzeuge ab und seid dann willkommen.«
Ungern legte Matthias seine Waffen ab und warf Maurus einen vielsagenden Blick zu. Dann betraten sie das Kloster. Nuri und seine Leute zogen es vor, ihre Waffen zu behalten und um das Kloster Stellung zu beziehen.
Matthias und Maurus
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