Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das Geheimnis der Salzschwestern

Das Geheimnis der Salzschwestern

Titel: Das Geheimnis der Salzschwestern Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tiffany Baker
Vom Netzwerk:
und sie, dachte Dee, hatten Salt Creek Farm wie eine Sturmböe erreicht, Whit brach jedoch mit dem Zorn eines Tornados über das Anwesen herein.
    Jo und Dee starrten einander an, dann presste Jo die Lippen aufeinander und begann das Geschirr abzuräumen, während Dee auf die Arbeitsplatte im hinteren Teil des Raumes zuwankte und sich festhielt. Sie musste daran denken, wie Whit ihr die Hände um den Hals gelegt hatte und wie sicher Claires Finger den Stiel der Schaufel umklammert hatten. Wie sie sich dann an Claires Taille festgekrallt hatte, als ginge es um ihr Leben, während sie im Halbdunkel des Morgens Plover Hill hinabgaloppiert waren. Sie fragte sich, ob Claire sie überhaupt aufgesammelt und ihr das Leben gerettet hätte, wenn es heller gewesen wäre. Oder hätte sie dann ein wenig genauer hingesehen und die Schaufel auf jemand anderen gerichtet?
    Dee ließ den Blick durch den Raum wandern und suchte verzweifelt nach einer Fluchtmöglichkeit. Das Fenster über dem Waschbecken? Nein. Die Tür hinter ihr? Vielleicht der Besenschrank? Auf gar keinen Fall! Sie erschauderte. Also gab es keinen Ausweg. Nur das volle Morgenlicht, ihren wutentbrannten Liebhaber, seine Frau und viel zu viel Salz für jedermanns Geschmack.
    Whits Attacke begann damit, auf die Binsen am Rande der Veranda loszugehen und sie zusammenzutreten, bis nichts mehr von ihnen übrig war. Dann rauschte er die verzogenen Stufen hinauf. Jo schüttelte nur den Kopf, als sie das Holz unter seinen schweren Schritten krachen hörte. Ohne anzuklopfen stürmte er durch die Haustür in den Flur, marschierte am kaputten Klavier vorbei, schlug ausgerechnet auf die paar Tasten, die noch einen Ton von sich gaben, um alle auf die Situation einzustimmen, und stand dann plötzlich atemlos in der Küchentür. Die Seite seines Gesichts, auf der Claire ihm mit der Schaufel eins übergebraten hatte, war grün und blau, und er hatte so gar keine Lust zu warten. »Wo ist meine mordlustige Frau?«, brüllte er.
    Dee stand zusammengekauert an der Arbeitsfläche und wühlte zwischen den Löffeln in der Besteckschublade herum, bis Jo schließlich die Hand ausstreckte und sie zwickte, damit sie aufhörte. Stattdessen rührte Dee nun in ihrem Tee herum und fuhr dabei mit dem Löffel über den Boden der Tasse, was noch schlimmer war. Jo räusperte sich, und Dee stellte den Becher ab. Sie hatte sowieso aus Versehen Salz statt Zucker hineingetan.
    Bei einer Begegnung mit einem Bären, so hatte ihr Vater ihr in Vermont erklärte, sollte man sich so groß wie möglich machen. Vielleicht hatte Jo dasselbe gehört, denn sie baute sich breitbeinig auf dem fleckigen Linoleum auf, stemmte die Fäuste in die Hüften und atmete so tief ein, wie sie konnte. Dann rückte sie einen Stuhl vom Tisch ab und deutete darauf.
    Einen Moment lang stand Whit unbeweglich da und erforschte Jos Gesicht mit Blicken, als suche er das X auf einer Schatzkarte. Er fand anscheinend nicht, wonach er Ausschau hielt, er gab es nämlich auf, schnaubte höhnisch und nahm schließlich Platz. Jetzt ging es wohl zur Sache.
    Als Nächstes starrte er Dee an, aber so, wie jemand einen Geist anschauen würde, an dessen Existenz er gar nicht glaubte. Dee rückte noch ein kleines bisschen weiter von ihm ab, obwohl sie an diesen Blick durchaus gewöhnt war. Immerhin, dachte sie. Es wäre doch irgendwie aufregend, wenn Whit nur ihretwegen hier rausgefahren wäre. Sie schielte noch einmal heimlich in seine Richtung, aber er achtete gar nicht auf sie. In was für einer Beziehung standen sie überhaupt zueinander, fragte sie sich. Wie nannte man das? Ein echtes Paar waren sie nicht. Und auch nicht wirklich befreundet. Es lag irgendwo zwischen engen Vertrauten und völligen Fremden. Dee war schon klar, dass sein Verlangen viel größer gewesen war als ihres, doch ihr hatte es gefallen, ihn zu befriedigen. Und das wollte doch etwas heißen.
    Alle drei zuckten zusammen, als die Haustür aufflog, zunächst ein Windstoß hereinfegte, und dann Claire auf der Bildfläche erschien, genauso ungestüm wie Whit, aber doppelt so wütend. Dee begann erneut mit dem verdammten Umrühren, und der Teelöffel klirrte in der Tasse wie klappernde Zähne.
    »Du Schwein, du verdammter Hurenbock!«, dröhnte Claire, als sie die Küche betrat, und Dee starrte sie ungläubig an. Claire hatte zwar die Haarpracht eines liederlichen Frauenzimmers, aber bis jetzt hätte Dee nicht gedacht, dass dazu auch das entsprechende Mundwerk gehörte. Sie musste

Weitere Kostenlose Bücher