Das Geheimnis meiner Mutter
zweitens ist es gesetzlich verboten, jemanden zu entlassen, der schwanger ist.“
„Okay.“ Daisy seufzte erleichtert auf und erhob sich dann. „Dann mache ich mich mal besser wieder an die Arbeit. Es ist verrückt, ich weiß. In der einen Minute habe ich totale Panik, und in der nächsten bin ich total aufgeregt.“
„Das kann ich dir nicht verdenken. Ich schätze, jeder, der ein Baby erwartet, fühlt sich so. Es wird alles gut werden.“ Sie hatte keine Ahnung, ob das stimmte. Aber sie wollte, dass es wahr war. Und Daisy wollte es auch. In so jungen Jahren Mutter zu werden war vermutlich das Schwierigste, was eine Frau tun konnte. Einige wuchsen an der Herausforderung, so wie Nina. Andere scheiterten. Jennys Mutter war dafür das perfekte Beispiel.
Daisy öffnete die Tür und hielt noch einmal inne. „Wie steht es bei dir? Willst du irgendwann mal Kinder haben?“
„Ich sollte erst mal versuchen, überhaupt ein Date zu kriegen.“
„Sind du und Chief McKnight nicht …“
„Nein“, sagte Jenny schnell. „Warum stellen mir alle diese Frage?“
„Ach, ich war einfach nur neugierig.“ Daisy ging voran die Treppe hinunter. Im Café war niemand. Zach zeigte Rourke irgendetwas auf dem Computer.
„Was sind das für Bilder?“ Jenny schaute über Rourkes Schulter auf den Bildschirm.
„Die hat Daisy gemacht“, antwortete Zach.
Daisy reichte Jenny einen Becher Kaffee. „Ich habe sie als Bildschirmschoner auf den Computer geladen. Ich hoffe, das macht dir nichts aus.“
Rourke trat zur Seite, damit Jenny besser sehen konnte. Die Fotos waren alle in der Bäckerei aufgenommen worden. Es waren nicht nur Schnappschüsse oder dokumentarische Bilder, sondern sehr intime, ansprechende und unerwartete Aufnahmen. Eine Nahaufnahme von Lauras Händen, die fachmännisch einen Teig kneteten. Das Gesicht eines Kleinkinds, das mit strahlenden Augen die Bleche voller Kekse in den Auslagen anschaute. Ein Regal voll frisch gebackener Brote, die Laibe in geometrischer Präzision ausgerichtet.
„Die sind unglaublich“, sagte Jenny. „Du bist wirklich gut, Daisy.“
Zach stieß Daisy in die Seite. „Hab ich dir doch gesagt.“
Daisy räusperte sich. „Ich habe mich gefragt, ob du mich wohl ein paar davon im Café aufhängen lassen würdest.“
Die Idee fand Jenny ansprechend. „Wenn du mir versprichst, jeden Druck zu signieren und sie mich professionell rahmen zu lassen.“
„Äh … klar.“ Daisy sah überrascht aus, während Zach vor Stolz strahlte.
„Das war nett von dir“, sagte Rourke, als er und Jenny die Bäckerei verließen.
„Davon profitieren wir beide. Sie macht eine hervorragende Arbeit, und das Café kann eine kleine Auffrischung gut gebrauchen.“ Es fühlte sich gut an, mehr Menschen für die Bäckerei an Bord zu holen und selber ein wenig in den Hintergrund zu treten. „Als ich weggegangen bin, war ich nicht völlig überzeugt davon, dass die Bäckerei auch ohne mich laufen würde.“
„Und jetzt?“
„Ich bin auf positive Weise überrascht.“ Sie schloss ihr Auto auf und wischte ein wenig Schnee von der Windschutzscheibe. Eine Gruppe Menschen auf der anderen Straßenseite erregte ihre Aufmerksamkeit. Sie erkannte Olivia, die lachend aus Zuzu’s Petals kam, und … „Oh, Gott“, murmelte Jenny.
„Was ist?“
„Da ist Olivia mit ihrer Mutter und ihren Großeltern. Olivia hatte mich gewarnt, dass sie kommen würden, um ihr bei der Vorbereitung der Hochzeit zu helfen. Hab ich noch Zeit, mich zu verstecken?“
„Ich bin mir ziemlich sicher, dass sie dich schon gesehen haben.“
Und tatsächlich hob Olivia in genau diesem Moment die Hand zum Gruß. Nur für einen klitzekleinen Augenblick verspürte Jenny ein Gefühl von Missgunst. Da war Olivia, umgeben von ihrer Mutter und ihren Großeltern, und strahlte, als hätte sie gerade den Jackpot geknackt. Und das hatte sie natürlich auch. Sie war eine geborene Bellamy, hatte immer noch beide Eltern und beide Großelternpaare, plante ihre Hochzeit mit dem Mann ihrer Träume. Sie war jünger als Jenny. Besser ausgebildet. Blonder. Es war schwer, keine Vergleiche anzustellen. Und noch schwerer, ihrer Schwester gegenüber feindselige Gefühle zu haben.
Jenny hoffte, dass man ihr diese Gedanken nicht ansah, als sie und Rourke die Straße überquerten und auf Olivia und ihre Familie zugingen. Es musste der Familie genauso unangenehm sein wie ihr. Mit einem eingefrorenen Lächeln im Gesicht grüßte Jenny Olivias Mutter, Pamela
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