Das Geheimnis von Melody House
…”
“Du glaubst doch nicht, unser Geist könnte die unerlöste Seele seiner ermordeten Frau sein?” Adam klang äußerst skeptisch.
“Nein. Das denke ich nicht. Aber ich will mir auch nichts vormachen lassen. Ich habe mir sagen lassen, dass sie eigentlich wiederkommen wollte, um hier ab und zu Spendenessen zu organisieren, aber dann hat man nichts mehr von ihr gehört … nie mehr.”
“Ich verstehe, was du meinst. Und ich verstehe auch, dass das für dich natürlich besonders problematisch ist, wo du dich so über beide Ohren in Matt verliebt hast”, sagte Adam ohne Umschweife.
Sie schaute ihn mit gerunzelter Stirn an.
“Du glaubst ihm nicht?” Um Adams Mundwinkel zuckte ein Lächeln.
“Doch, schon. Vielleicht sogar zu sehr, Adam.”
“Wir werden versuchen herauszufinden, wo Lavinia sich aufhält”, versprach Adam. “Ich bitte dich, hab ein bisschen Vertrauen.”
“Ich habe Vertrauen!” protestierte sie.
“Lote immer alle Möglichkeiten aus, Darcy. Vorsicht, ich necke dich nur. Aber habe ich dir das nicht immer eingeschärft? Dass du keinen Verdacht ausschließen darfst, selbst wenn er absurd erschient?” Adam lächelte sie an. “Siehst du, und genau das tust du jetzt.”
“Adam”, begann sie, dann unterbrach sie sich und fing noch mal von vorn an. “Ich habe einfach schon zu viele Frauen an ihrer Leidenschaft zugrunde gehen sehen. Sie waren so verliebt, dass sie schlicht nicht mehr klar denken konnten. Es ist genau wie du sagst: Ich will nichts außer Acht lassen, nur weil …” Sie schüttelte den Kopf und hob hilflos die Hände. “Einfach weil ich so verliebt bin!”
“Braves Mädchen”, sagte er. Und nieste wieder.
“Du gehst jetzt auf der Stelle ins Bett”, befahl sie ihm, dann gab sie ihm einen Kuss auf die Wange und ging zur Tür. “Schlaf schön, gute Nacht!”
“Darcy.”
“Ja?”
“Mach dir keine Sorgen. Wir werden Lavinia finden”, sagte er. “Und du meldest dich sofort bei mir, wenn irgendetwas ist”, befahl er. Dann nieste er wieder.
“Versprochen.”
Nachdem sie wieder in ihrem eigenen Zimmer war, ging sie eine Weile auf und ab und überlegte, ob Matt in dieser Nacht zu ihr kommen würde.
Wahrscheinlich nicht. Er war wütend und gekränkt, weil sie ihn verdächtigt hatte, etwas mit dem Verschwinden seiner Exfrau zu tun zu haben. Sie streckte die Hand nach einem langen T-Shirt aus, aber dann entschied sie sich doch für ihr bodenlanges weißes Nachthemd.
Sie war kaum eingeschlafen, da hatte sie den Traum wieder.
Diesmal jedoch ohne Gewalt, ohne Mord.
Sie sah nur die Frau, die, eingehüllt in einen weißen Nebel, bewegungslos am Fußende ihres Betts stand und sie anschaute. Dann hörte Darcy sie flüstern: “
Bitte!”
Eine Sekunde später schwebte die weiße Gestalt zur Tür und schlüpfte nach draußen.
Darcy, die aufgewacht war, stand schnell auf und lief eilig hinter ihr her.
Wieder wartete die Frau an der Treppe. Kurz bevor Darcy sie erreicht hatte, schwebte sie nach unten. Auf dem ersten Treppenabsatz blieb sie stehen und winkte. Darcy folgte. An der Eingangstür zögerte Darcy eine Sekunde und dachte daran, dass sowohl Matt als auch Adam sie gewarnt hatten.
Aber der Drang, die Wahrheit zu erfahren, überwog die guten Ratschläge.
Im Vorbeigehen nahm sie ohne nachzudenken aus dem Ständer neben der Tür einen Regenschirm und verließ damit das Haus.
Der Geist wartete an der Verandatreppe. Als Darcy auf ihn zuging, schwebte er auf die Räucherkammer zu.
Und heute Nacht löste er sich nicht auf, sondern schlüpfte durch den Türspalt ins Innere.
Das alte Gebäude war in gutem Zustand, und dem Geruch nach zu urteilen wurde es offenbar noch benutzt. Darcy öffnete die Tür und schaute in die Dunkelheit.
Na toll. Sie hatte zwar einen Regenschirm dabei – wofür auch immer –, aber an eine Taschenlampe hatte sie nicht gedacht.
Trotzdem konnte sie den Geist im Mondlicht, das durchs Fenster hereinfiel, sehen. Er stand in der Mitte des kleinen Raums.
“
Bitte”
, sagte er wieder.
In diesem Moment hörte Darcy hinter sich ein Rascheln. Mit dem Regenschirm in der Hand wirbelte sie herum, entschlossen, sich zu verteidigen. Sie glaubte draußen einen Schatten zu sehen, der bis zur Stallwand zurückwich. Gleich darauf spürte sie ein Kältegefühl, das sie einhüllte, während ihr eine Stimme ins Ohr flüsterte: “
Bitte”
.
Und da wusste sie es plötzlich. Wusste genau, was der Geist ihr sagen wollte, und nicht weniger genau, was sie
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