Das geheimnisvolle Tuch
frei!“, jubelte Zubla und sprang so weit in die Höhe, dass er sich den Kopf an der Zimmerdecke stieß. Er plumpste auf das Bett zurück und lag wie leblos auf dem Rücken. Vinc beugte sich mit seinem Gesicht über den Kopf von Zubla. „Was ist? Sag doch was. Mein neuer Freund. Du bist doch nicht tot?“, fragte Vinc traurig. Er überwand seine Hemmschwelle wegen des nicht gerade erbaulichen Anblickes des Gesichtes des Gnoms und gab ihm auf die Stirn einen Kuss.
Zubla sprang auf. „Pfui! Ist ja widerlich! Ein Kuss! Pfui!“ Er wischte über die Stelle, auf die Vinc ihn küsste. Er leckte die Handfläche ab und spuckte in die Gegend. „Schmeckt ja noch widerlicher!“
„Hat dir keiner gesagt, du sollst meinen Kuss abschlecken“, lachte Vinc, wurde sogleich wieder ernst, als er fragte: „Dann ist dies hier das Zimmer von Vincent, deinem richtigen Herren?“ Zubla sah Vinc grimmig an: „Du bist mein Herr“, sagte er. „Gewesener“, fügte er hinzu, als er Vinc strafende Blicke sah. „Bitte zieht die Sachen über!“, bat er den Jungen.
„Warum nicht“, meinte Vinc gut gelaunt. Während es dies tat, stellte Zubla noch fest: „Wenn du nicht der richtige Vincent wärst, dann könntest du mich nicht sehen. Mich können nur befähigte Personen erblicken. Zauberer, Magier und solche Zauberlehrlinge wie du. Du hast doch sicher noch deinen Zauberstab?“
Vinc holte die Schatulle und entnahm ihr die Stäbe. „Hier sind sie. Drei sogar.“
„Oh. Die zwei anderen gehören bestimmt Tomas und Rexina“, stellte der Kleine fest.
„Wer sind das nun schon wieder?“, fragte Vinc und zog eine Hose an, deren Beine bis an die Knie reichten. „Passt nicht“, stellte er fest und wollte sie wieder ausziehen.
„Halt!“, befahl der Kleine. „Das sind Kniehosen. Du musst doch vorher die Unterhosen anziehen. Dadurch werden deine Waden bis zu dem Anfang der Hosen bekleidet.“
Vinc kannte solche Kleidung aus Mantel- und Degenfilmen.
„Du fragtest, wer Thomas und Rexina sind? Thomas ist der Sohn von Marxusta, dem Zauberlehrmeister auf der fliegenden Insel und Rexina ist die Tochter von Rexos, dem großen Zauberer von Arganon und dem Herrscher der gläsernen Stadt.“
Vinc hörte mit dem Anziehen auf. „Ich muss schon sagen, es stürmt ganz schön viel auf mich ein.“
„Ich werde es dir nach und nach erklären. Ich denke, dass du es auch im Laufe der Zeit selbst erfahren wirst“, sagte Zubla.
Vinc trat vor den Spiegel, um sich anzusehen. Er konnte nur den oberen Teil erblicken. „Ich sehe aus wie Prinz Gernegroß vor seinem ersten Stelldichein“, meinte er sich abschätzend. „Richtig bescheuert.“
Diese Worte riefen bei Zubla Unverständnis hervor. Vinc erkannte es, aber er ließ es dabei, denn er hatte keine Lust für Erklärungen. „Eigentlich gar nicht so übel“, meinte der Junge. „Was nur mir nicht so gefällt, sind die Plüschen vorne am Hemd. Auch dass es weiß ist, ist Mist. Wird zu leicht dreckig. Schön ist die blaue Jacke. Bisschen übertrieben die goldenen Verzierungen drauf. Was soll das überhaupt darstellen. Sehen aus wie kleine Sterne und Monde, aber was ist das dazwischen?“
„Das sind magische Zahlen“, klärte Zubla ihn auf. „Das sind Euere persönlichen Zauberzahlen.“
Sie wurden durch Pochen an der Türe unterbrochen. Auf Aufforderung von Vinc trat der alte Diener ein. Er sah den Jungen in seiner Kluft und ein Lächeln huschte über das Gesicht des Lakaien. „Die Tafel ist gedeckt, Herr. Ich darf Euch zu Tisch bitten“, sagte er mit einem unterwürfigen Ton. „Ich erwarte Euch im Flur.“
Als der Diener den Raum wieder verließ, sagte Zubla: „Ich werde hier auf dich warten.“
Vinc trat aus dem Zimmer und staunte. Auf der Etage befanden sich bereits Tom und Vanessa. Tom in ähnlicher Kleidung wie Vinc, aber in der Farbe rot. Vanessa hatte ein Kleid mit Rüschen und Gebinde angezogen. Es war grün, aus Samt und Seide und ebenfalls waren Sterne und Monde zu sehen. Wie bei Vinc und Toms Anzügen waren auch bei ihrem Kleid Zahlen als Symbole zu erkennen.
Während der Diener voranschritt, um sie an den Tisch mit leckeren Speisen zu führen, musterten sie sich heimlich.
Sie wurden in einen großen Saal geführt mit einem langen Tisch. Zahlreiche Stühle davor zeugten von der Vielzahl von Gästen, die darauf Platz nehmen könnten. Doch gedeckt war nur für die Drei. In einer Fülle, dass ihnen die Entscheidung schwerfiel, mit welchen Leckereien sie beginnen sollten.
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