Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Das geraubte Paradies

Das geraubte Paradies

Titel: Das geraubte Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
Vom Netzwerk:
Knopf, der neben der Tür eingelassen war, und gleich darauf öffnete sie sich wie von Geisterhand. Sie folgten einigen dämmrig erleuchteten Gängen, die mit ihren glatten Wänden und Decken ausgesprochen nüchtern wirkten. Keine Menschenseele war zu sehen. Man merkte, dass es spät am Abend war.
    Durch eine Metalltür gelangten sie in einen Trakt, dessen Lampen heller strahlten. Herumstehende Rollwagen mit Ausrüstung zeugten davon, dass hier auch gearbeitet wurde. Das leise Surren und Piepen von Geräten war zu hören, und durch eine Flügeltür zur Linken vernahm Carya gedämpfte Stimmen. Diese Tür steuerte Ferrer an, und als er mit ihr hindurchtrat, fanden sie sich unvermittelt in einem Raum voller fremdartiger und sehr fortschrittlich wirkender Apparaturen wieder. Tische mit Rechnern und anderen Geräten, deren Funktion sich Carya völlig entzog, säumten die Wände. Ein furchteinflößendes Ding mit fast einem Dutzend mechanischer Arme hing von der Decke. Und direkt darunter, im Zentrum des Raums befand sich eine schräg stehende Liege mit Gurten und einer Haube am Kopfende, die an eine Metallspinne mit langen, dünnen Beinen erinnerte.
    Drei Menschen waren im Raum anwesend: Emm, Ziyi und ein Mann, der doppelt so alt sein mochte wie Carya, einen Kittel trug, der für seine dürre Gestalt mindestens zwei Nummern zu groß war und dessen Haare in alle Himmelsrichtungen vom Kopf abstanden, als habe eine Katze darin nach einer Maus gesucht.
    »Hallo, Carya«, begrüßte Emm sie. Die junge Invitro hatte wie Carya einen orangegrauen Overall an und ihr rotes Haar zu einem praktischen Dutt zusammengesteckt. »Schön, dass du dich für unsere Sache entschieden hast. Die Vorbereitungen sind beinahe abgeschlossen. Wir können gleich loslegen.«
    Argwöhnisch blickte Carya sich um. »Wieso habe ich das Gefühl, dass ihr das alles schon angefangen habt, bevor ich überhaupt meine Wahl getroffen habe?«
    Emm lächelte sie an. »Curzo ist ein ziemlich guter Menschenkenner, und er behauptete nach unserem Treffen, dass du kommen würdest. Vielleicht hat er auch nur deine Erdenwacht-Akte gelesen, die wir uns beschafft haben und in der du als rebellisch und eigensinnig beschrieben wirst, zwei Charaktereigenschaften, die mit dem Leben in diesem Tal nicht gut vereinbar sind.«
    Emms Worte weckten Caryas Neugierde. »Kann ich diese Akte mal sehen?«
    »Nicht jetzt«, antwortete Emm. »Ich kann sie dir später gerne zeigen. Allerdings steht vermutlich nichts drin, was du nicht selbst weißt. Es handelt sich im Wesentlichen um Einschätzungen von Milan, Cartagena und Alecander. Natürlich gibt es noch einen medizinisch-technischen Teil, der deine Erschaffung und Programmierung betrifft. Der wird dir vermutlich wie Kauderwelsch vorkommen, aber wir brauchen ihn, um die Prozedur fehlerfrei über die Bühne zu bringen.«
    »Ich verstehe«, sagte Carya. Sie drehte den Kopf, und auf einmal fiel ihr ein Plakat ins Auge, das zwischen zwei Regalen an der Wand hing. Es zeigte eine riesige blaugrüne Kugel, über die sich weiße Schlieren zogen, umgeben von tiefer Schwärze, die von winzigen hellen Punkten durchsetzt war. Ein Schauer durchlief Carya, als sie einen Schritt näher trat. »Das kenne ich.« Sie wandte sich zu Emm um. »Dieses Bild habe ich schon zweimal gesehen, während ich nur halb bei Bewusstsein war. Kann es sein, dass ich schon einmal hier war?«
    Verwirrt blickte Emm sie an, dann richtete sie eine Frage an Ziyi. Dabei deutete sie auf das Plakat. Diese antwortete, und Emm nickte verstehend. »Ziyi sagt, dass du das Bild vielleicht in einem anderen Labor gesehen hast. Das Motiv ist unter den Gentechnikern des Tals sehr beliebt. Es ist ein Foto unserer Erde, vom Weltraum aus geschossen. Das Bild soll uns vor Augen halten, wie schön unsere Welt ist, was für ein Paradies, und das wir alles daransetzen sollten, sie zu bewahren.«
    »Ein Foto …«, murmelte Carya fassungslos. Sie streckte die Hand aus und strich andächtig über das Plakat. »Das haben Menschen geschossen?«
    »Ja«, antwortete Emm. »Früher gab es Menschen, die zu den Sternen gereist sind, um dort zu leben und zu forschen. Vor dem Krieg.«
    »Das ist wunderschön …« Ein jähes Gefühl von Wehmut überkam Carya. In diesem Moment wünschte sie sich nichts sehnlicher, als all dem Leid und der Zerstörung, den Kämpfen und Intrigen entfliehen zu können und von dort oben den erhabenen Blick auf ihre Heimatwelt zu genießen, wie jene Männer und Frauen vor

Weitere Kostenlose Bücher