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Das geraubte Paradies

Das geraubte Paradies

Titel: Das geraubte Paradies Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Perplies
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unserer Gemeinschaft. Wir sind dankbar dafür, dass sie uns Arbeiten abnehmen, die für uns zu beschwerlich sind, für die sie aber optimale Voraussetzungen mitbringen. Jeder Invitro besitzt genau die Fähigkeiten und Charaktereigenschaften, die er braucht, damit er die ihm zugewiesene Arbeit erfolgreich und mit Freude ausführen kann.«
    »Und was ist mit jenen, die keine Diener oder Arbeiter sein wollen? Nicht jeder Invitro ist gleich.«
    »Doch, selbstverständlich. Also zumindest jene, die aus einer Modellreihe stammen.« Freeman zuckte mit den Achseln. »Zugegeben, die Lebensumstände können zu Abweichungen im Persönlichkeitsbild führen. Aber das lässt sich durch ein paar Suggestivsitzungen beheben. Und am Ende sind alle wieder glücklich.«
    Beinahe hätte sich Carya an einem Fleischstück verschluckt. »Sie unterziehen die Invitros einer Gehirnwäsche, wenn sie nicht tun, was sie sollen?«, fragte sie erschüttert.
    Der greise Wissenschaftler legte sein Besteck zur Seite, faltete die Hände auf dem Tisch und blickte Carya wie ein Kind an, das wenig Ahnung von der Welt hatte. »Carya, die Erdenwacht ist eine Gemeinschaft von Spezialisten. Nur so haben wir es in den letzten Jahrzehnten geschafft, weitgehend autark, also unabhängig von der Welt, zu überleben. Jeder ist ein Rädchen im großen Getriebe, und jeder hat seine Aufgabe zu erfüllen. Das gilt für mich ebenso wie für Oberst Dymond und auch für unsere Invitro-Arbeiter. Die meisten von uns sehen die Notwendigkeit ein, sich in das System einzufügen. Diejenigen, die es nicht tun, müssen behutsam auf den richtigen Weg zurückgebracht werden. Das mag ein wenig unangenehm sein, aber der Preis des Überlebens heißt nun einmal harmonische Zusammenarbeit.«
    »Wer nicht passt, wird passend gemacht«, murmelte Carya.
    Freeman neigte den Kopf und musterte sie eindringlich. »Es ist absolut erstaunlich …«, sagte er und sprach dabei wahrscheinlich mit sich selbst.
    Dennoch ging Carya auf die Worte ein. »Was?«
    »Dein Bedürfnis, über Dinge nachzudenken. Eigentlich wurdest du charakterlich als eher – verzeih mir das Wort –
einfach
angelegt. Du solltest deine Rolle am Hof des Mondkaisers gut ausfüllen, dich aber nicht zu sehr für Politik und damit einhergehende Problemfelder interessieren. Denn jede Form von Aktivismus hätte deine Position natürlich gefährdet. Aber durch deine Zeit in Arcadion hast du dich völlig anders entwickelt. Du besitzt ein ausgeprägtes, fast überzogenes Unrechtsbewusstsein und einen regelrechten Hang zum Widerstand. Das ist faszinierend.«
    »Dann geben Sie zu, dass es falsch ist, wie Sie mit den Invitros umgehen?«, fragte Carya.
    »Das ist nicht das Entscheidende«, antwortete Freeman mit erhobenem Zeigefinger. »Interessant ist der Umstand, dass du, obwohl du erst zwei Tage hier bist und keineswegs das ganze Bild kennen kannst, dir bereits aus wenigen Beobachtungen, die du gemacht hast, ein Urteil bildest, das dich dazu bewogen hat, mit mir über empfundene Missstände zu sprechen. Du bist wie eine …« Ein Lächeln breitete sich auf seinen Zügen aus. »Wie eine Jugendliche, die gegen das System der Eltern rebelliert, weil sie es nicht besser weiß.«
    »Bei Ihnen klingt das so, als wäre ich die Einzige im Tal, die sich irgendwelche Gedanken machen würde«, gab Carya gereizt zurück. »Finden Sie es denn richtig, dass eine ganze Rasse geschaffen wurde, die bloß dazu dient, die Dinge für Sie zu erledigen, die Sie selbst nicht machen wollen?«
    Freeman hob leicht hilflos die Hände. »Was erwartest du von mir, Carya? Soll ich in die Fabriken gehen und allen sagen: Leute, ihr könnt gehen. Macht mit eurem Leben, was ihr wollt? Das würde in purem Chaos enden.«
    »Oder es wäre der Beginn einer gerechteren Gesellschaft.«
    Kopfschüttelnd blickte der greise Wissenschaftler sie an. »Carya, du begreifst nicht, dass unser Werk größer und wichtiger ist als unsere persönlichen Wünsche und Sehnsüchte. Das Tal der Erdenwacht muss funktionieren, damit unsere Aufgabe nicht gefährdet ist. Das Wohl weniger muss hinter dem Wohl vieler zurückstehen. Aber lass uns nun bitte nicht weiterdiskutieren, denn ich befürchte, dass wir uns ohnehin nur im Kreis drehen. Du brauchst einfach mehr Zeit, um zu verstehen, wie wir hier unser Leben führen.«
    »Da sprechen Sie eine Sache an, die ich Sie ohnehin noch fragen wollte«, sagte Carya, die Freeman insgeheim recht gab, dass eine weitere Diskussion unnötig war – wenn

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