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Das Glück der Familie Rougon - 1

Das Glück der Familie Rougon - 1

Titel: Das Glück der Familie Rougon - 1 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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einem Sterbenden an unheilbarer Entkräftung darnieder; er bewahrte zwar seinen Glauben, aber es war schon der letzte Schlaf über ihn gekommen. Er zog es vor, nicht von sich aus zu handeln, sondern den Himmel walten zu lassen. Am liebsten hätte er nur durch bloßes Schweigen protestiert, vielleicht aus dem unbestimmten Gefühl heraus, daß seine Götter tot waren und ihm nichts weiter zu tun blieb, als sich zu ihnen zu gesellen. Selbst in dieser Zeit allgemeinen Umsturzes, als die Katastrophe des Jahres 1848 den Adel für kurze Zeit die Rückkehr der Bourbonen erhoffen lassen konnte, erwies er sich als benommen und gleichgültig und sprach wohl davon, sich ins Kampfgetümmel zu stürzen, hätte jedoch nur mit Widerstreben den behaglichen Platz am Kamin verlassen. Die Geistlichkeit stritt unermüdlich gegen dieses Gefühl der Ohnmacht und Entsagung an. Sie tat es mit einer Art von Leidenschaft. Wenn ein Priester zu verzweifeln droht, kämpft er um so erbitterter; die ganze Politik der Kirche besteht darin, allen Widerständen zum Trotz geradeaus zu gehen, dabei die Verwirklichung ihrer Pläne notwendigenfalls um mehrere Jahrhunderte hinauszuschieben, aber nicht eine Stunde zu verlieren und mit einer stetigen Anstrengung immer vorzudringen. So wurde auch in Plassans die Reaktion durch den Klerus vorangetrieben. Der Adel gab nur seinen Namen dazu her, nichts weiter. Der Klerus versteckte sich hinter dem Adel; er wies ihn zurecht, lenkte ihn und verlieh ihm schließlich sogar ein künstliches Leben. Als er es erreicht hatte, daß der Adel seinen Widerwillen weit genug überwand, um mit dem Bürgertum gemeinsame Sache zu machen, hielt er das Spiel für gewonnen. Der Boden war wunderbar vorbereitet; diese alte Royalistenstadt, diese Bevölkerung von friedlichen Bürgern und ängstlichen Kaufleuten mußte sich zwangsläufig früher oder später der Ordnungspartei anschließen. Der Klerus mit seiner geschickten Taktik beschleunigte diese Wandlung. Nachdem er die Hausund Grundbesitzer der Neustadt gewonnen hatte, gelang es ihm sogar, die Kleinhändler der Altstadt zu überzeugen. Von nun an war die Reaktion Herrin der Stadt, In dieser Reaktion waren sämtliche Anschauungen vertreten, noch nie hatte man ein ähnliches Gemisch von verärgerten Liberalen, von Legitimisten30, Orléanisten31, Bonapartisten32 und Klerikalen gesehen. Aber das war zu jener Stunde nicht wichtig. Es handelte sich einzig darum, die Republik umzubringen. Und die Republik lag in den letzten Zügen. Ein Bruchteil des Volkes nur – höchstens tausend Arbeiter von den zehntausend Seelen der Stadt – grüßte noch den Freiheitsbaum, der mitten auf dem Platz der Unterpräfektur gepflanzt worden war.
    Die geriebensten Politiker von Plassans, diejenigen, die an der Spitze der reaktionären Bewegung standen, witterten das kommende Kaiserreich erst sehr spät. Die Volkstümlichkeit des Prinzen Louis Napoléon33 erschien ihnen als vorübergehende Schwärmerei der Menge, womit man leicht fertig werden würde. Die Persönlichkeit des Prinzen flößte ihnen nur mäßige Bewunderung ein. Sie hielten ihn für eine Null, einen Phantasten, für unfähig, die Hand auf Frankreich zu legen, geschweige denn, sich in der Herrschaft zu behaupten. Für sie war er nur ein Werkzeug, dessen sie sich zu bedienen gedachten, um reinen Tisch zu machen, und sie wollten ihn vor die Tür setzen, sobald die Stunde gekommen wäre, da sich der wahre Thronanwärter zeigen durfte. Indessen vergingen die Monate; sie wurden unruhig. Nun erst kam es ihnen undeutlich zum Bewußtsein, daß man sie hinterging. Aber man ließ ihnen keine Zeit, einen Entschluß zu fassen; der Staatsstreich donnerte über sie hinweg, und sie mußten Beifall klatschen.
    Die große Metze, die Republik, war umgebracht. Das war immerhin ein Sieg. Klerus und Adel nahmen die Tatsachen mit Ergebung hin; sie verschoben die Verwirklichung ihrer Hoffnungen auf später und rächten sich für ihren Irrtum, indem sie sich mit den Bonapartisten verbanden, um auch noch die letzten Republikaner zu vernichten.
    Diese Ereignisse begründeten das Glück der Familie Rougon. Sie war in die verschiedensten Phasen der Krise verwickelt und wurde auf den Trümmern der Freiheit groß. Die Republik war es, worauf sich diese auf der Lauer liegenden Banditen stürzten; nachdem die Republik erwürgt worden war, beteiligten sie sich an der Plünderung.
    Gleich nach den Februartagen merkte Félicité, die feinste Nase der Familie, daß sie

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