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Das göttliche Dutzend

Das göttliche Dutzend

Titel: Das göttliche Dutzend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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Schwarzgekleidete trat einen Schritt zurück. »Was? Aber das geht doch nicht … Sie … Wir brauchen sie! Das Fest! Sie muß kommen!«
    »Wie steht’s um Ihre Künste beim Totenerwecken?«
    »Dies ist nicht der richtige Zeitpunkt für Scherze.«
    Der Totengräber zerrte mit finsterem Blick an seinem Kragen, der ihm mit einem Mal beunruhigend eng erschien. »Aus dem Weg«, befahl er und rauschte in die Hütte. Seine Sandalen klapperten auf der Treppe, die zu Xxoes Hängemattenzimmer führten.
    Er trat die Tür auf. Bei dem Anblick, der sich ihm bot, stockte ihm der Atem: Die Vorhänge waren dicht geschlossen, die Mutter schaukelte einsam vor sich hinmurmelnd auf und ab. Sie war den Tränen nah. Und der bewegungslose Körper in der Hängematte war gänzlich leblos. Für die Welt gestorben.
    Nein! schrie der Totengräber in Gedanken. Nicht heute! Ich hab doch heute frei!
    Xxoes Mutter blickte mit feuchten Augen auf und begriff instinktiv, daß ihre Einladung zur Parade gestrichen war.
    »Es tut mir leid …«, schluchzte sie.
    Mit dem Kopf voller unbeantworteter Fragen durchquerte der Totengräber den Raum. Er kochte vor Wut. Er riß die Decke hoch und starrte die bleiche Gestalt an.
    »Gehwech«, murmelte Xxoe in ihr Kissen und zog sich die Decke wieder über. »Laßmichinruh. Ich sterbe …« Sie faßte sich an den Kopf und stöhnte elendig.
    Vor Schreck gaben die Knie des Totengräbers nach, und er brach auf dem Boden zusammen. Ihm schwirrte angesichts der Ironie der Situation der Kopf. Was sollte er den Leuten sagen? »Es tut mir sehr leid, aber es wird heute keine rituelle Opferung geben. Dem Opfer ist plötzlich unwohl geworden!«
    Warum hatte niemand dies vorausgesehen? Der Spiegleyn Spiegleyn- Redaktion würde er was erzählen!
    Aber das war jetzt bedeutungslos. Eine ganze Stadt voller Festgäste wartete darauf, von ihm unterhalten zu werden. Wo sollte er so kurzfristig Ersatz finden?
    Knurrend stand er auf und eilte aus dem Raum.
    »Alles in Ordnung?« fragte Xxoes Vater, als der Totengräber mit wehenden Togaschößen an ihm vorbeisauste.
    »Nichts ist in Ordnung. Nichts und wieder nichts!« bellte er und verschwand auf die Straße, wo seine wütenden Sandalenschritte Sandwolken aufwirbelten.
    Genau in diesem Augenblick betrat ein wohlbekannter Prediger in einer schwarzen Soutane über die wacklige Brücke die Stadt Axolotl und schleppte sich mit sorgenvollem Gähnen die Straße hinauf. Es war noch viel zu früh für ihn.
    Der bierbäuchige Mann neben ihm stritt dies nachdrücklich ab.
    Und erstaunlicherweise sah die Bevölkerung von Axolotl es ebenso. Zorn sah, daß Heerscharen von Leuten aus den Seitengassen strömten und in freudiger Erregung in die gleiche Richtung liefen.
    »Na, jetzt geh schon«, drängte Syffel und zeigte der hektischen Menge hinterher.
    »Hältst du es wirklich für eine gute Idee, mein Gesicht nach dem Wunderwäsche-Debakel so schnell wieder hier sehen zu lassen?« fragte Zorn nervös.
    »Vertrau mir«, schmeichelte Syffel. »Alles ist geregelt. Entspann dich einfach und tu nur, was ich sage.« Er zwinkerte Zorn verschwörerisch zu.
    »Klar«, murmelte der Prediger, der von der Sache nicht ganz überzeugt war. »Ich hoffe nur, daß mich niemand von gestern erkennt. Die würden mich umbr …« In seinem Kopf fiel ein glänzender Groschen. »Ach so! Nicht schlecht. Jetzt versteh ich’s.«
    »Sehr gut. Jetzt mach aber schnell. Du willst doch nicht zu spät kommen. Pünktlichkeit ist ausgesprochen wichtig.«
    Gottfried Zorn folgte der schnell anwachsenden Menschenmenge und quetschte sich auf den zum Bersten vollen Platz, auf dem gerade eine Welle der Aufregung den Adrenalinspiegel hob.
    Syffel grinste und deutete auf den gigantischen Tempel, der den Platz beherrschte. Eine einzelne schwarzbetogate Gestalt schlich händeringend an ihrer abgestuften Seite empor. Auf der Spitze des Gebäudes ruhte ein Steinblock zwischen zwei klobigen Fackelträgern. Auf dem Block befand sich eine seltsame Konstruktion aus zusammengebundenen Bambusrohren.
    Die Menge murmelte beunruhigt. Gelegentlich gab es aus allen Richtungen spontane Ausbrüche von Jubelgeschrei.
    Dafür, daß es so früh ist, sind sie verdammt lebhaft, dachte Zorn. Das Frühstück mußte in dieser Gegend sehr nahrhaft sein.
    Endlich erreichte der Mann in der schwarzen Toga die Spitze des Tempels. Er setzte seinen hohen Zylinder zurecht und wandte sich an die Menge. Alle Blicke waren auf ihn gerichtet, die Perspektive der Stufen ließ

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