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Das göttliche Dutzend

Das göttliche Dutzend

Titel: Das göttliche Dutzend Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Andrew Harman
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die Tiefe fiel. Dann hätte er sich emporgeschwungen und wäre mit göttlicher Anmut wieder auf dem Dach gelandet. Aber so …
    Zorns Bart wehte hinter ihm her, als er weiterstürzte. Seine Soutane flatterte wie ein loses Segel im Orkan. Und er lächelte, breitete die Arme aus wie ein alleingelassener Verliebter, der auf seine endlich zurückgekehrte Verlobte zueilt. Ewigkeit, ich komme!
    Einen Augenblick lang fragte er sich fast unbeteiligt, wie weh es wohl tat, wenn man mit Höchstgeschwindigkeit auf den Boden aufschlug.
    Und er war nur wenige Sekunden davon entfernt, es in Erfahrung zu bringen, als plötzlich ein Fuhrwerk auf zweien seiner vier Räder um die Ecke gekreischt kam und mühsam in einer Staubwolke angehalten wurde.
    Laut fluchend landete Mietprediger Gottfried Zorn auf dem Matratzenwagen des Unfall- und Notlagen-Vorhersehdienstes. Seine Fäuste bearbeiteten entrüstet die schwammigen Matratzen. Gerettet. Gerettet! Wie konnten sie es wagen!?
    »Alles in Ordnung da oben?« fragte der Mann in der weißen Uniform, als er hinaufschaute und eine Leiter an den Wagen lehnte.
    »Nein!« keifte Zorn entnervt.
    Der Vorherseher wirkte erschreckt. »Was ist denn los? Fuß verstaucht? Handgelenk geprellt?« Für die Vorherseher war es eine ausgesprochene Frage der Ehre, daß eine Rettung nur dann auch tatsächlich eine solche war, wenn der Gerettete keinen Kratzer abbekam.
    »Nein! Das ist ja gerade das Problem. Dank Ihnen bin ich vollkommen unversehrt!« Zorn schwang sich auf die Leiter und kletterte wütend hinunter. »Ganz schön egozentrisch, zu glauben, daß jemand, der in tödlicher Gefahr schwebt, unbedingt gerettet werden will!«
    »Bis jetzt hat sich noch keiner beschwert«, wehrte sich der Vorherseher.
    »Papperlapapp!« keifte Zorn. »Hab ich Sie gebeten, mich zu retten? Habe ich beim Sturz um Hilfe gerufen, häh? Hab ich das?«
    »Also, ich habe nichts gehört …«
    »Genau! Verdammte Pfadfinder!« knurrte Zorn, bevor er davonstürmte.
    »Blöde Touristen«, sagte der Uniformierte und nahm die Leiter wieder fort. »Undankbarer Depp!« rief er. »Bilden Sie sich bloß nicht ein, daß ich Sie retten wollte! Ist nicht meine Schuld, daß das hier so gemacht wird. Wir Axoloten tun’s halt, weil wir es können! Wenn Sie das nächste Mal wo runterfallen, sind Sie ganz auf sich gestellt! Dann wird’s Ihnen noch leid tun! Aber mir nicht!«
    Er erhielt keine Antwort von dem murrenden Prediger, der um die Ecke bog, dem Fest wie der Pest aus dem Wege ging und sich stinksauer auf den Weg aus der Stadt machte.
    Erst zehn Minuten später hielt Syffel es für halbwegs sicher, sich Zorn zu nähern. Er fiel aus den Wolken, als er gerade die baufällige Brücke im Süden von Axolotl betrat.
    »Paß mal auf«, begann der Gott. »Ich renke es wieder ein. Ich kümmere mich drum, in Ordnung?«
    »Hau ab«, fauchte Zorn und blieb stehen, die Hände resolut in die Hüften gestemmt. Sein Gesicht war dunkelrot angelaufen.
    »Alles wird gut.«
    »Das hast du letztes Mal auch schon gesagt!« schäumte Zorn und stampfte mit dem Fuß auf. »Ich dachte immer, Götter könnten das Geschick der Sterblichen steuern – rote Meere teilen und Lebensmittel an verhungernde Stämme ausgeben, so was halt.«
    »Du solltest nicht alles glauben, was du hörst«, murmelte Syffel. »Aber du hättest immerhin beinahe das Zeitliche gesegnet, nicht wahr? Wenn die Notfall-Vorherseher nicht gewesen wären …«
    »Ich weiß!« Zorn stampfte mit dem Fuß auf. Ein verrotteter Balken unter seinen Füßen knarrte und schickte ein Dutzend Holzläuse in den schwarzen Abgrund. »Schütte ruhig noch Salz in offene Wunden! Ich könnte schon längst mit meiner Mission zugange sein. Ich könnte schon in die Hände gespuckt haben und bis unter beide Arme in der Jenseitsarbeit stecken. Aber nix da! Das wäre wohl zu viel verlangt, was?« Wieder stampfte er auf.
    »Wie wär’s mit ’nem Bierchen?« bot Syffel ihm an.
    »Nein, ich will kein Bier!« rief Zorn und stampfte wieder auf, wobei er von weitem aussah wie ein kleiner Junge kurz vor einem Wutanfall. Unbemerkt knarrte der morsche Balken erneut.
    »Ganz sicher? Beruhigt die Nerven, läßt einen wieder klar denken.«
    »Ich will jetzt kein Bier!« Stampf. »Ich will auch in zehn Minuten kein Bier!« Stampf. »Und überhaupt, ich will dich für den Rest meines Lebens nie wieder sehen!« Stampf. Die Brücke schwankte übelkeitserregend und schien sich zur Seite zu neigen.
    »Hoppla«, flüsterte Zorn, als er die

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