Das göttliche Dutzend
Umschlag beschädigen.«
»Was? Das Ding war in einer Pergamotte?«
»Jo. Ist aber nicht lange drin geblieben.«
»Jungejunge«, grunzte Schoysal, der von der Sache vollkommen gefesselt war.
Nabob sammelte die Reste der Pergamentverpackung ein und wickelte sie vorsichtig wieder um den Ordner.
»Ich finde, du schuldest mir ein paar Erklärungen«, flüsterte Schoysal verschwörerhaft. »Und am besten fängst du ganz am Anfang an. Was ist eine Pergamotte?«
Indem sie die Leiden des Poliers Malochus, der an Kapitän Nörglpytters Klauen herabhing, geflissentlich übersahen, machten sich die Arbeiter wieder ans Werk. Ihnen allen war klar, daß sie, wenn sie nicht rechtzeitig fertig wurden, selbst mit einem Bruchteil ihres Lohns aus Byrernsts geizigen Klauen ungefähr so sicher rechnen konnten wie mit einem tieffliegenden Schneeball.
Also zogen sie den Kopf ein, dachten an ihre leeren Taschen und errichteten trotz der Ansammlung verärgerter Dämonen in Windeseile zwei Buden. Beide hatten auf einer Seite einen Schlitz und einen langen Arm, der noch in auspolsternde Folie gewickelt war. In einer geraden Linie wurde ein Zaun zur Mole hin errichtet. Ein riesiger Dämon kauerte auf den Budendächern und brachte etwas an, das wie ein großes Schild aussah. Auch dieses war in die eigentümliche, mit kleinen Blasen übersäte Polsterfolie gewickelt.
»Zeigen Sie mir die Pläne!« wiederholte Kapitän Nörglpytter, wobei er der weitergehenden Arbeit den Rücken zudrehte.
»Darf ich nicht«, stöhnte der nun violett angelaufene Malochus kaum hörbar. »Die Vorschriften!«
»Sagen Sie, was es ist«, fauchte der vor Wut kochende Kapitän durch eine Wolke säuerlichen Pfeifenrauchs. »Sagen Sie es sofort, oder ich werde Ihnen persönlich …«
»Schauen Sie doch einfach selbst hin!« pustete Malochus kämpferisch. »Sie kommen sowieso zu spät. Ist schon fast fertig.«
»Was?« Kapitän Nörglpytter ließ Malochus fallen, ohne einen weiteren Gedanken an ihn zu verschwenden, und wirbelte herum. Gerade in diesem Augenblick wurde die Schutzfolie von den Schranken entfernt.
Der ganze wütende Dämonenschifferpöbel wich einen Schritt zurück und keuchte. Die gelbschwarzen Streifen auf den Schranken konnten nur eins bedeuten: Die Leistungsfähigkeit hatte auch das Ufer der Schleimau erreicht.
»Die Gerüchte stimmten also wirklich!« krächzte Nörglpytter. »Seelenhäuschen!« Er hatte im ›Gomorrha‹ hinter vorgehaltener Hand von den Teufelsdingern flüstern gehört. Zungen, von zuviel Lava gelöst, hatten die schreckliche Wahrheit verraten: Wenn die verdammten Seelen erst mal einen Paß erhalten hatten, brauchten sie künftig keinem einzigen Dämonen mehr in die Augen zu schauen. Die Einwanderungsbehörde war überflüssig. Sie war durch Maschinen ersetzt worden.
In diesem Augenblick wurde die Folie von dem Schild über den beiden Büdchen entfernt. Die Dämonen starrten die grellen Buchstaben an.
Die Hölliensche Organisation für Einwanderung, Leiden, Laster und Entsetzen (Abk. H.Ö.L.L.E.) heißt Sie in Mortropolis willkommen.
Verzweiflung, Elend, Not. Das beste nach dem Tod.
Nörglpytters Wutschreie wurden vom Rest des Pöbels übertönt.
»Das dürfen Sie nicht!« raunzte er und packte Malochus, der sich gerade davonstehlen wollte, am Fußgelenk.
»Ist nicht meine Schuld«, jammerte der Polier, der sich verzweifelt wehrte und mit den Klauen Furchen in den Steinboden zog, als Nörglpytter ihn zurückzerrte. »Anweisungen. Byrernst hat mir befohlen …«
»Byrernst! Zur Hölle mit ihm!« fauchte Kapitän Nörglpytter. »Wie kann er es wagen …«
Der Rest seiner Worte wurde von tosendem Zornesgeschrei übertönt, als der Rest der Versammlung den Namen des verhaßten Obertotengräbers vernahm. Ohne irgendeine Anweisung wußten sofort alle, was zu tun war. Wie ein Dämon stürzten sie an Nörglpytter vorbei, ergriffen verschiedene Werkzeuge und attackierten die nagelneuen Büdchen. Klauen hoben die Schranken aus den Angeln; Hufe hämmerten funkensprühend auf die Wände ein. In einem Bruchteil der Zeit, die es gedauert hatte, sie zu errichten, wurden die Seelenhäuschen dem Boden gleichgemacht und die Zäune niedergetrampelt. Der Dämonenschwarm wandte sich nun einem flachen Lastwagen zu, der in wilder Ausgelassenheit umgekippt wurde. Ein großer Käfig fiel auf den Felsboden und brach auf. Die darin sitzende vielbeinige Stalagmotte blinzelte unbemerkt, sah ihre Gelegenheit und flüchtete seit drei
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