Das göttliche Dutzend
begafft, begrapscht und verhöhnt wird. Bürger Hölliens! Wenn einem die Rippen so grauenhaft abstoßend vorstehen wie meinem neuen Freund hier – nimm’s nicht persönlich, Kumpel –, geht es nur ihn etwas an. Wenn die Beine verbrannt und von übertriebener Enthaltsamkeit abgemagert sind … und neben mir steht ein gutes Beispiel solcher Nachlässigkeit …«
»Also, ich muß doch schon sehr bitten«, wehrte sich der Mann. »Ich glaube, die Leute haben verstanden, worauf Sie rauswollen. Ich weiß ja auch, daß man mich nicht gerade als sexy oder so was bezeichnen würde, aber …«
»Würden Sie sich bedecken, bliebe ihre Körperform wenigstens teilweise verborgen. Sie besäßen ein Flair des Geheimnisvollen, das man zu einem sexuell attraktiven Vorteil nutzen könnte, wenn sich die Gelegenheit böte.«
Nabob spürte, daß sich ein zustimmendes Frohlocken in seiner Kehle formte.
»Wirklich? Ich – attraktiv?« stammelte die armselige Seele auf dem Dach.
Die Menge keuchte auf, als sie einen Blick auf ihre eigene Erscheinung warf. Selbst Schoysal ertappte sich dabei, daß er selbstkritisch die Schuppen auf seiner Stirn glattstrich.
»Mit der richtigen Bekleidung hätten Sie bei den Frauen freie Wahl!« verkündete Zorn und zog mit einem Ruck ein Päckchen bunten Pergaments aus seiner Soutane, ohne sich die Zeit zu nehmen, Syffel dafür zu danken, daß er es – genau wie ihn selbst – gegen Temperaturen über 660 Grad gefeit hatte.
Die Zuschauer schnappten nach Luft, als ihre Blicke sich an einer vollständigen Kollektion Unterwäsche für beide Geschlechter, in blau und rosa, weideten.
»Jawohl! Nehmt die sichere und trotzdem so fesche! Genießt Höllien in Wunderwäsche!«
Schoysal war überwältigt. Eine Zeitlang versuchte er, sich durch die Menge zu drängeln, da er verzweifelt mehr über Wunderwäsche erfahren wollte. Er wollte unbedingt ihre flauschige Struktur auf seinen schwarzen Schuppen fühlen.
Dann fiel ihm Nabobs Gesichtsausdruck auf. Er erkannte es sofort – mit der Intensität eines Blitzschlags zwischen die Krallenspitzen. Gewiß, es schien nur ein schwacher Abklatsch der sechsten Illustration zu sein, die er unlängst betrachtet hatte, aber es war alles da: die gefalteten Krallen; das Gesicht eine Andeutung freudiger Glückseligkeit, ja, fast schon Bekehrung.
Da war sich Schoysal plötzlich ganz sicher, daß der ununterbrochen redende Mann in der schwarzen Soutane irgend etwas mit dem Geheimnis zu tun hatte. Konnte er die Dokumente übersetzen? War er das Geheimnis? Eine Geheimwaffe der ultimativen Störung?
Schoysal sah die Szene plötzlich in anderem Licht. Es stimmte. Etwas sehr Mächtiges war hier am Werk. Alle gewöhnlichen Strukturen waren heute auf diesem Platz zusammengebrochen. Dämonen tranken Bier mit gemarterten Seelen!
Er mußte diesen Mann einfach haben. Er stürzte sich in das Getümmel.
Nabob, der mittlerweile ein ganzes Stück weiter vorn stand, wurde nur vom schrillen Kreischen der Trillerpfeifen, dem Galoppieren von Knochenbrecherhufen und dem plötzlichen Auseinanderspritzen sämtlicher Versammelten vor der totalen Bekehrung bewahrt.
Schoysal und Nabob schauten beeindruckt zu, als acht wahrhaft gewaltige Ungeheuer durch die fliehende Menge stapften und trotz des gekreischten Protests der zuschauenden Paktisten ein langes Seil entrollten. Im Handumdrehen hatten sie die drei Vandalen auf dem Hüttendach mit dem Lasso eingefangen.
Der Mietprediger Gottfried Zorn, der unschuldige Assistent aus dem Publikum und Fiddel mit der Geige wurden blitzschnell heruntergezogen, gefesselt und weggeschleppt.
»Nein, Sie dürfen ihn noch nicht mitnehmen!« schrie Ölyg, der sich gegen die Flut flüchtender Seelen stemmte. Er ließ die Fäuste kreisen und war wild entschlossen, es mit dem gesamten Einsatzkommando aufzunehmen. Wenn nötig, mit allen auf einmal.
Wenn Phaust sich nicht von hinten auf ihn geworfen und ihn am heißen Boden festgehalten hätte, hätte er sich in eine Ein-Mann-Prügelei gestürzt. »Noch nicht«, fuhr Phaust ihn an. »Wir holen ihn zurück. Mach dir keine Sorgen, Fiddel ist bald wieder bei uns.«
In diesem Augenblick wurde der Ansatz zu einer Mission in Ölygs erhitztem Verstand geboren. Er hörte auf, sich zu wehren und ließ sich wegführen, während Zorn zwischen zwei riesigen Dämonen um eine weit entfernte Ecke bog und verschwand.
»Wie ungezogen«, tadelte der Teufel Schuftus Zorn von links her. »Sie wollten wohl ’n paar Leute retten? So
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